Gerd Meuer mit Nobelpreisträger Wole Soyinka
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Senegal oder: wenn ein ‚demokratisches’ Regime sich die Presse kauft

  und ein Beispiel von Selbstzensur

     1983 leistete sich Präsident Abdou Diouf von Senegal eine so genannte ‚Mehrparteien-Wahl’. Ich fliege zeitig ein. Am Wahltag fahre ich von morgens früh bis zur Schließung der Wahllokale in Dakar und dem Cap-Vert herum, um die massive Wahlfälschung zu genießen. Kurz nach Schließung der Wahllokale - einige waren erst gar nicht geöffnet worden! - fahre ich zum Obersten Gerichtshof. Dort soll es angeblich ein Büro zur Entgegennahme von Wahlbeschwerden geben. Ich finde niemand vor, der Wächter gibt sich verwundert.
     Dieses Erlebnis krönt meine Wahlberichte in gleich drei Sprachen für die Deutsche Welle und die Sender der ARD. Diese Berichte musste ich übrigens aus dem Empfang des Hotel „Teranga’ an meine Sender in Deutschland brüllen, denn just am Wahltag war überraschenderweise die Telefonanlage zu den Zimmern ausgefallen. Hotelgäste und airline crews hörten interessiert und belustigt zu, wie ich meine Berichte nach Deutschland schrie. Mein nächtliches Schreien blieb nicht ohne Folgen.
     Am Tag nach der Wahl gibt der Sprecher der „wiedergewählten Regierung Diouf“ eine Pressekonferenz. In der verkündet der Mann dann gekünstelt erregt: „Da laden wir doch Journalisten ein, über unsere demokratische Praxis zu berichten, und dann verbreiten die Unwahrheiten.“ Nur ich konnte gemeint sein, weil le tout-Dakar morgens jeweils die französischen Sendungen der Deutschen Welle hörte, und eben nicht die von Radio France, weil man die für parteiisch hielt. Nur zwei Stunden später wurde ich dann von den um den Sieg betrogenen Oppositionsparteien in einer zweiten Pressekonferenz „rehabilitiert“. Deren Sprecher nämlich bedankte sich bei mir für die ‚wahrheitsgetreue Berichterstattung.’
     In dieser Pressekonferenz meldete ich mich dann auch noch zu Wort: „Ich möchte hiermit klarstellen, dass ich im Gegensatz zu anderen Journalisten keineswegs von der Regierung eingeladen worden bin. Meine Sender zahlen Flug, Hotel, Tagegeld und Mietwagen selbst.“
     Höhnisches Gelächter, nicht rundum sondern gezielt in Richtung des Kollegen Siradiou Diallo, Chefredakteur von „Jeune Afrique“. Der war nämlich tatsächlich wieder einmal auf Kosten der Regierung eingeflogen worden. Er nahm es krumm, als ich es nicht lassen konnte, es ihm beim gemeinsamen Rückflug nach Paris unter die Nase zu reiben. Ganz sicher wird er sich an diese Nuttenreise so wenig erinnern wie an seine vielen anderen.
     Soweit ich mich erinnere, lieferte Abdou Dioufs Vorgänger, der Dichter-Präsident Leopold Sedar Senghor auch den einzigen Anlass massiver Selbstzensur und das kam so. Ich interviewte ihn zu seinem 70. Geburtstag. Die Kosten für Flug, Hotel, Auto etc. wollte ich durch den Verkauf des Radio- und Fernseh-Interviews an Deutsche Welle und WDR-Fernsehen wieder reinholen. Im WDR sollte das Interview tel-quel, also als Dokument laufen.
     Doch dann lieferte Senghor wie üblich einen nicht enden wollenden Monolog ab. Und der strotzte zudem nur so kalt-kriegerischen Dummsprüchen gegen die angolanische MPLA und zugunsten des CIA-Schergen Jonas Savimbi.
     Einem nicht informierten deutschen Publikum so nicht zuzumuten. Ich ließ den WDR schon aus Dakar per Telex wissen, dass das Interview so nicht sendbar sei. Das könne ich nicht verantworten - ich hatte ein paar tausend DM in den Sand gesetzt.