Gerd Meuer mit Nobelpreisträger Wole Soyinka
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Die besten Geschichten findet der Journalist…   auf der Post !
                                       oder:
              Wo geht’s hier, bitte, zum Krieg?

(Aus einem der Tschad-Kriege, Anfang der 80er Jahre - geschrieben im August 1983)

     Der islamische Fastenmonat RAMADAN ist gerade einige Wochen vorüber, und im Tschad ist wieder einmal Krieg.  
     Allmorgendlich und allmittäglich wird Tschads Hauptstadt N’Djamena von eigens für diesen Zweck vom französischen Militär in seiner Not angemieteten Transportflugzeugen voller Waffen, Munition und gepanzerte Fahrzeuge angeflogen. Den Rest muß die Truppe vor Ort einkaufen. 
     Das Gros der Einkäufe wird von der ‚Paierie de France‘, der lokalen Zahlstelle des französischen Staates vor Ort gekauft und bar beglichen. Die Paiereie ist in der ansonsten völlig zusammengeschossenen Stadt schon wieder in zwei voll renovierten Gebäuden beheimatet! Wie der aus dem nahen Nigeria stammende Großhändler Hadj Kotoko profitieren auch schon wieder einige rasch aus den benachbarten frankophonen Staaten, aus Frankreich und selbst aus dem Libanon eingeflogene levantinische Händler, französisierte Uralt-Kolonialwarenhändler aus dem Libanon, einige Dutzend extrem mobile Alhajis, sowie Souvenirhändler, Bettler und nach dem letzten Afro-Look – leicht – bekleidete Damen des leichten Gewerbes von der französischen Militärpräsenz – die ersten weißen Damen sollen bereits aus Abidjan, Elfenbeinküste, im Anmarsch bzw. – Flug ein!
     Doch ganz offensichtlich reichen diese Einflüge nicht für die volle Versorgung der Truppe. Und weil der Krieg ganz weit weg ist, irgendwo viele hundert Kilometer weiter nördlich oben in der Sahara, finden sich die besten Geschichten in der Hauptpost. Genauer in der Telex-Abteilung, in der offensichtlich nicht nur die wenigen Journalisten ihre Nicht-Stories absetzen. Die left-overs auf Papier aber die geben wenigstens etwas her…
     Denn da finden sich zum Beispiel gleich mehrere Telexe des Vertreters einer großen amerikanischen Ölfirma an seine Niederlassung im benachbarten Kamerun. Da schrieb nämlich der Chef der Ölfirma, dass die Franzosen unter dem Kommando von General Breitbrust Poli ‚große Probleme haben‘. Und dann wird von nächtlichen Krisensitzungen der Offiziere und Krisen-Telexen an den französischen Generalstab im fernen Paris berichtet. Der Truppe gehe allmählich das Kerosin aus, wo der Nachschub bleibe, ob die Tanklaster etwa im Morast der kamerunischen Pisten steckengeblieben seien? Wo man denn das Kerosin lagern solle, wenn es denn mal ankomme, etwa in großen Würsten aus Hartgummi? Oder ob man sich selbst Tanks zusammenschweißen müsse? Wo Gasflaschen zum Schweißen zu beschaffen seien? Und der Mann der Ölgesellschaft gibt sich besorgt hinsichtlich der harten Preisvorstellungen der französischen Offiziere.
     Und dann war da noch diese offen im Telex-Raum der Hauptpost aushängende, für jedermann lesbare Dienstanweisung an die Postler. Da wird nämlich den Telex-Operateuren der tschadischen Post von höchster Stelle mitgeteilt, dass „sich mit ‚sofortiger Wirkung‘ die Telefon-Vorwahlen in ISRAEL geändert haben... Hatte da jemand das Wort MOSSAD fallen gelassen?
     Eines Abends dann aber helle Aufregung! Aus einem nahen Viertel ist lautes Ballern zu vernehmen. Die amerikanischen Fernseh-Kollegen, die seit Tagen ihren täglichen Charter-Flug zur Überspiel-Station im benachbarten Gabun leer fliegen lassen müssen, weil es absolut NICHTS zu berichten gibt, beginnen zu hoffen. Doch ein langsames Heranpirschen an den Ort der ‚inner-tschadischen bewaffneten Auseinandersetzung’ endet in einem Gelächter…
      Der willkommene, lang ersehnte ‚Schlachtenlärm‘, stammte aus einem nahen open-air-Kino, in dem ein findiger levantinischer Kinobesitzer jetzt wieder – die in Kriegstagen mit der Pirogge ins ganz nahe Kamerun geretteten - uralten Hollywood-Schinken vorführte; den Generator hatte der sich findig ebenfalls per Pirogge aus dem gerade einmal zwei Kilometer nahen Kamerun jenseits des Chari-Flusses besorgt. Bis es den Kollegen von französischer und amerikanischer Glotze schliesslich zu langweilig wurde und sie ihren eigenen Klein-Krieg in N’Djamena inszenierten, und das ging so…

folgt: Story Demo der Journalisten vor französischer Kaserne