Gerd Meuer mit Nobelpreisträger Wole Soyinka
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Afrikas Liebe zu Papier und Stempeln

Einer der Kriege im Tschad Anfang der achtziger Jahres des zweiten Jahrtausend. In der völlig zerschossenen Hauptstadt N’Djamena versuchte doch tatsächlich ein wichtigtuerischer Mensch vom Desinformationsministerium – der zudem noch seinen Job einmal bei der Deutschen Welle in Köln gelernt hatte – uns Journalisten mit allen nur denkbaren Einschränkungen zu drangsalieren. Was der Mann nicht wußte, war, daß wir - das heißt eine kleine Vierertruppe von Journalisten - uns ja bestens mit einem Laisser-Passer ausgerüstet hatten… 
Gelegenheit dazu bot sich eines Tages am zerschossenen Flugplatz der Hauptstadt. Als wir uns den vom Tower aus besahen und der junge Beamte eben mal aus dem Zimmer ging, um etwas mit einem Vorgesetzten zu besprechen, schlugen wir in geprobter Guerillamanier gegen die afrikanische Administration zu. 
Wir Journalisten funktionierten rasant im Team: einer nahm sich einen Packen weißer Papiere, der nächste raffte einen imposant wirkenden Stempel und stempelte an der Unterseite der Papiere, während ein Dritter auf dem zerschossenen Gang Schmiere stand. 
Abends im Hotel tippten  wir uns dann alle nur denkbaren Erlaubnisscheine. Inwieweit die alle fehlerfrei waren, wage ich nicht mehr zu sagen. Vermutlich haben wir aber jede Menge Französisch- und Tippfehler hineingebaut, um das Papier… echt aussehen zu lassen. 
Die Idee zu den fehlerhaften Eigenausstellungen war mir bei der früheren Lektüre eines Laisser-Passer in Mali gekommen. Da war das „Couvre-Feu“, also Ausgangssperre nach dem Militär-Putsch gegen den sozialistischen Präsidenten Modibo Keita zu einem COUDRE-Feu geworden, was soviel heißt wie das Feuer nähen anstatt es zu bedecken oder zu löschen. Und ein malischer Soldat, dem ich es bei einer Kontrolle zwecks Prüfung überreichte, las es prompt upside-down, hielt es umgekehrt in den Händen, weil er des Lesens unkundig war. Hauptsache Papier und Stempel. 
In Nigeria habe ich mir dann gleich ein Dutzend Stempel machen lassen und wild gestempelt. Hauptsache Papier und Stempel.
Wie überhaupt Papiere. Irgendwann Anfang der achtziger Jahre beschlossen Studien-Freund Yemi Oyeneye und ich, mit dem von der ARD finanzierten Daimler von Lagos über Cotonou, Lomé, Accra nach Abidjan zu reisen. Für diese Reise aber brauchten wir im vielstaatischen Westafrika ein Versicherungspapier, das außer für Nigeria auch für die anderen Staaten gelten sollte. Weil es das aber in Nigeria nicht gab, fabrizierten wir es in schönstem Französisch selbst, füllten einfach ein, daß es auch für Benin, Togo, Ghana gelte. Später lachten wir über uns selbst: gut pan-afrikanisch hätten wir doch der Einfachheit gleich einfüllen können: „Pour tous les états de l’OAU“, für alle Staaten der ‚Organisatiion der afrikanischen Einheit’.