Gerd Meuer mit Nobelpreisträger Wole Soyinka
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„Est-ce que je ne suis pas ... bon physiognomiste?“

    

      Anfang der achtziger Jahre düste ich als Westafrika-Korrespondent der deutschen Rundfunkanstalten mit dem PKW immer wieder die Küstenstrecke vom ivorischen Abidjan über Accra, Lome, Cotonou bis ins nigerianische Lagos und selbst bis ins kamerunische Douala: viele, wegen der vielen Kontrollen, viel Zeit fressende Grenzen, wie 1884 bei der Berliner Kongo-Konferenz wild in die afrikanische Landschaft gezogen; Elfenbeinküste raus, Ghana rein, Ghana raus. Togo rein, Togo raus usw. usw.

     Da ich die Grenzen aber regelmäßig überquerte, lernte ich nach und nach die Zöllner, Gendarmen, Geheimdienstler auch persönlich kennen, bestoch sie mit langen Gesprächen und gelegentlich auch mal mit…

     Bei einer dieser Fahrten stand ich eines Tages mal wieder in Hillacondji an der Grenze zwischen den beiden Mini-Staaten Togo und Benin in einem endlosen Stau von LKWs, sah meine nächsten Sendetermine (damals gab es noch kein Handy!) schon dahinschwinden, als sich mir ein Exemplar aus dem Heer der Uniformierten näherte, mich freundlich als „alten Bekannten“ begrüßte und mich bat, an allen wartenden LKWS vorbei gleich an den Grenzbaum zu fahren. Wieso das nun wieder?

     Francois hatte eine rasche Erklärung: “Mais, Patron, est-ce que je ne suis pas bon physiognomiste?“

     Ich mußte tief in meine Bildungskiste abtauchen und dann fiel mir der Groschen: Francois wollte sagen: „bin ich nicht ein guter Kenner menschlicher Visagen?“ Ich war eben in dem Land, das sich selbst stolz als das ‚Quartier Latin de l’Afrique‘ bezeichnete, im ehemals französischen Dahomey, neuerdings BENIN, das in kolonialen Tagen der Kolonialmacht Frankreich Tausende von billigen und fähigen Beamten für ‚Französisch West- und Französisch Zentral-Afrika’ , die AOF und die AEF, gestellt hatte.

     Francois aber hatte sich meine Visage nicht einfach so zum Spass gemerkt: da gab es nämlich das was wir im Journalismus einen ‚Aufhänger’ nennen, woran er mich dann auch prompt erinnerte: „Mais Patron, neulich als du hier durchkamst, da hast du mir doch ein halbes Dutzend Batterien für meinen Transistor (=Radio) geschenkt!“ Ach so, das war es also!    

     Besonders beliebt waren diese dicken Batterien, die ich für die schwere NAGRA-Tonbandmaschine gleich kistenweise mitführte. Die nämlich paßten genau in die Stablampen der Beamten und auch in ihre ‚transistors‘, ihre Kurzwellengeräte, auf denen sie Radio France oder auch ‚meine‘ Deutsche Welle hörten. Und so fielen dann immer mal wieder ein halbes Dutzend Batterien für Francois oder Abdoulaye ab. Ich führte natürlich kein Buch darüber, wen ich an welcher Grenze so beglückte.

     Francois ‚Visage‘ habe ich mir dann aber fest gemerkt, für jeden meiner folgenden Grenzübertritte, die aber dann doch nicht ganz so rasch abliefen, weil wir jetzt jedes Mal ein kühles Bierchen auf unsere ‚tiefe deutsche-beninische
Freundschaft’ trinken… mußten. Ob ich die bei der Reisestelle abgebucht habe? Ich weiß es nicht. Wenn ja, dann sicher unter ‚Hilfestellung an der Grenze‘.