Gerd Meuer mit Nobelpreisträger Wole Soyinka
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Wenn französische Journalisten im francophonen Afrika Klöppe beziehen

     Im Frühjahr 1981 fliege ich in die Zentralafrikanische Republik, um über die dortigen Wahlen zu berichten. Gewählt werden sollte Paul Dacko,  der Schwiegersohn  des früheren Kaisers Jean-Bedel Bokassa.  Der  war  kurz zuvor
mit seinem Flugzeug nach Frankreich entführt worden, während  sein Schwiegersohn umgekehrt im Gepäckraum einer französischen Militär-TRANSALL als Kaiser-Ersatz in die Diamanten-Neokolonie Giscard d’Estaings aus Frankreich nachhause geflogen worden war...
    Neo-Kolonialimus à l’operette francaise. Das würde weniger Stories für die POLITIK als für VERMISCHTES ergeben. Tat es dann auch. Es begann mit dem Besuch im Präsidentenamt, ein ansonsten eher seltener Besuch, in diesem Falle aber ein MUSS. Und ich wurde nicht enttäuscht, als ich darum bat, den Pressesprecher des Präsidialamtes zu treffen, um die Stimmung in einer französischen Neokolonie zu erkunden. Die Überraschung war total: der Mann war weiß und natürlich Franzose. Als ich das Namensschild auf seinem Schreibtisch las, muß mein Gesicht einen nervösen Zucker verraten haben oder aber ein breites Grinse. Mein gegenüber jedenfalls las diesen Ausdruck des Erstaunens ganz genau. Nahm mir sofort das Wort aus dem Mund.

     „Ja, der bin ich, pardon war ich.“

    Er  war gewesen: Sprecher der ewigen französischen éminence grise  für  Afrika, des langjährigen französischen Geheimdienstchefs en choses africaines Jacques Foccart, des Alt-Gaullisten, der über Jahrzehnte afrikanische Präsidenten gemacht, an der Macht gehalten und selten auch einmal gestürzt hatte. Der Mann ist jetzt Pressesprecher des gerade eingeflogenen Kandidaten: französischer Neo-Kolonialismus pur, als Karikatur.     Am  Tag der Wahl beginne ich meine Rundreise durch die Hauptstadt meine  Rundreise wie üblich bereits am frühen Morgen, in einem für den ganzen Tag gemieteten Taxi und mit einem Kollegen des lokalen Rundfunks, der ein Jahr bei der Deutschen Welle gastiert hatte. 
    Schon am frühen Morgen fahren wir zum berühmtem „Kilomètre Cinq“. Dort ist das Haus des des wichtigsten Oppositionsführers Ange Patassé. Als wir uns dessen ‚concession’ nähern, wollen mit Stücken und Steinen bewaffnete Jugendliche schon  auf unser  Auto losgehen, als mein Begleiter vom zentralafrikanischen  Rundfunk denen zuruft: „Il n’est pas francais! Il est allemand.“ Die Stöcke sinken, die Steine bleiben in den Fäusten. Über den ganzen Tag können wir die wachsende Frustration der Hauptstadtbevölkerung über die mit französischer Hilfe gefälschte Wahl beobachten. Doch es bleibt ruhig in der Stadt, weil das französische Militär sich deutlich zeigt und am Abend auch den Ort bewacht, an dem die Wahlergebnisse ausgezählt werden.

     Ich erlebe wie die Vertreter der Opposition in ohnmächtiger Wut  verharren. Das  alles meldete ich mal wieder an die Deutsche Welle. Weil der Leiter der
francophonen Redaktion, ein völlig afrika-unbeleckter Journalist, der früher bei einem Herrenjournal gedient hatte, aus francophiler Neigung stets den Meldungen der französischen Staatsagentur afp den Vorzug gab, versuchte ich den in deutlichen Worten vor den Berichten der afp-Kollegen in diesem besonderen Falle zu warnen.

     Wie  recht ich haben sollte, erlebte ich am Tag nach der Wahl.  Als  ich abends  ins Hotel zurückkomme, sitzen dort kühle Biere schlürfend der afp-Kollege, der von der Agentur Reuters sowie die  graue Eminenz der französischen Afrika-Berichterstattung Philippe Decraene von der  angeblich besten Zeitung der Welt, ‚Le Monde’. Sie alle sehen ziemlich gebeutelt aus und bitten mich mit eher säuerlicher Miene zu sich. Eher  unfreundlich  beginnt Monsieur Decraene das was man auf Französisch als interrogatoire beschreiben würde: eine quasi polizeiliche Befragung. Er will wissen, was ich denn so  nachhause  berichte. 

     Ich:  Die Wahrheit und nichts als die Wahrheit, das was  ich  so sehe über den Tag bei meinen Wanderungen durch Bangui, sehe, höre, erlebe.

     Darauf Decraene: « Mais, vous les Allemands, vous n’avez pas des intérets à défendre ici en Afrique! »

     Ich bin höchstlich verwundert, erwidere Monsieur  Decraene: „Und ich  dachte,  wir  seien Journalisten!“

     Was Monsieur aber kaum noch wahrnahm, weil er loswerden wollte, was  ihm und  den französischen Kollegen tagsüber in der Telex-Zentrale der  Post widerfahren  war. Das französische Trio hatte gerade seine Stories abgesetzt, wollte die Post wieder verlassen. Die Telexisten aber hinderten sie daran, schoben sie etwas hart gegen eine Wand und knufften sie mehrmals unsanft dagegen. Die Erklärung schoben sie verbal nach: das sei der Lohn für ihre die Wahrheit verfälschende  Berichterstattung.

     Gut, daß Philippe Decraene es nicht mehr leugnen kann. Der Mann, der sich in den afrikanischen Kapitalen stets wie ein Stammesfürst hofieren ließ, sitzt seit Jahren  auf einer Wolke - oder vielleicht doch im Fegefeuer für Journalisten? Ihm zur Seite vielleicht Madame Decraene? Denn die war ja viele Jahre eine éminence grise auf ihre Art: die nämlich diente viele  Jahre lang einem gewissen Francois Mitterand, früher einmal Überseeminister als Privat-Sekretärin. Die Ehe von Journalismus und Macht auf Französisch. Erst viel später vernahm ich von einem französischen Kollegen gerüchteweise, daß der in Bangui angetroffene afp-Kollege eigentlich Mitarbeiter des französischen Geheimdienstes war.

     Der Kollege, der mir dies verriet, wußte auch zu berichten, daß es durchaus üblich war, daß er und seine Kollegen von der afp in geradezu militärischem Ton von ihrem Botschafter einbestellt wurden, wann immer sie es wagten, eine Story abzusetzen, die „den französischen Interessen schadet“. Und weil  die  Kollegen deshalb immer wieder einmal auf  heißen  Nachrichten saßen, die sie einfach nicht loswerden konnten, gaben sie die auch schon einmal an mich weiter.

     So etwa die Geschichte von den abhanden gekommenen Tuaregs in der Regierung  Kountche  im Niger. Das hatte der afp-Kollge  zwar  auch  Monsieur Decraene gesteckt, der diese Nachricht einige Zeit später dem Präsidenten in
Frageform vorlegte. Mir selbst aber nahm mein Kölner Sender  die Nachricht  erst nicht ab, weil sie zuvor „nicht von afp gemeldet“  worden war. 
    Ein immer wieder neu geschriebenes Kapitel in der Dauerserie „Agenturhörigkeit“, die im Fall von afp um so skandalöser war, als auch den Kollegen in den Sendern bekannt war, daß das Budget von afp zu fast 80 Prozent durch staatliche Abnahme garantiert war.

     Doch - und hier muß wieder einmal ein rascher Schritt nach vorn getan werden - diese Hörigkeit galt auch viele Jahre für die ach-so-progressive Berliner taz. Die dortigen unerfahrenen, noch nicht gereisten Kollegen und Kolleginnen gaben allen Ernstes der afp den Vorzug, weil die sich stets eines Scholl-Latour’schen antiamerikanischen Akzents befleißigte. Das hielten die Berliner Kollegen dann für ‚fortschrittlich’ und ‚progressiv’ und gingen so über Jahre dem französischen Neo-Kolonialismus auf den Leim. Ein Grund weshalb ich der taz dann wieder einmal meine Mitarbeit aufsagte.