Gerd Meuer mit Nobelpreisträger Wole Soyinka
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Festnahme Ostern 1970 in Kamerun
Oder: was macht der einsame Weiße allein im Busch?

      Zum Ende meines dreijährigen Aufenthalts in Mali plante ich eine pan-afrikanische Reise von Mali über Nigeria, Kamerun, den Kongo bis Zambia und Kenya. Da ich bislang nur in Westafrika gereist war, wollte ich endlich auch das zentrale und östliche Afrika kennen lernen. Die Reise endete jedoch frühzeitig und das hatte u.a. mit meiner zeitweisen Festnahme im Polizeistaat Kamerun zu tun.
     In der Hauptstadt Yaoundé war ich bei einem alten Bekannten von der EG zu Besuch, der u.a. die Ausgaben für den Bau der neuen Eisenbahnlinie von Yaoundé nach N’Gaoundere kontrollierte. Die war erst bis Belabo in Betrieb und D.S. riet mir, doch einmal den Triebwagen bis zum Endhaltepunkt zu nehmen, dort einige Stunden herumzuwandern und abends wieder zurückzukommen. Das sei
sehr unterhaltsam. Meine Reise wurde es dann auf ungeahnte Weise...
     Ich fuhr also los, traf gegen Mittag in Belabo ein, weit und breit der einzige Weiße in einem großen afrikanischen Marktflecken, der durch den Bau einer nagelneuen Eisenbahnlinie einen ungeheuren wirtschaftlichen Aufschwung erlebte. Ließ mich bei einer market mammy nieder, bestellt NESCAFE mit gezuckerter Milch sowie eine baguette mit Sardinen, begann mein Mittagbrot zu genießen, als plötzlich ein Landrover der Polizei vorbeifuhr.
     Der aufmerksame Polizist auf dem Beifahrersitz nahm den einsamen Weißen wahr, befahl seinem Fahrer den Rückwärtsgang einzulegen. Er wollte prüfen, was denn dieser einsame Weiße in Belabo treibe. In der Annahme, dass ich jetzt wieder einmal grundlos belästigt werden würde, blieb ich demonstrativ sitzen, begrüßte den Menschen von der Polizei. Der verlangte meinen Pass zu sehen. Ich zog den durchgesessenen Pass aus der hinteren Hosentasche und streckte ihm den hin. Er prüfte ihn intensiv und bedeute mir dann, dass ich festgenommen sei. Grund: ich besäße kein Einreisevisum für Kamerun.
     Unmöglich! Ohne Einreisevisum keine Einreise in den Polizeistadt des französischen Stadthalters Ahmadou Ahidjo. Ich erbat meinen Pass zurück, um das zu prüfen. Tatsächlich: in diesem Pass gab es tatsächlich keinen Einreisestempel. Für mich war die Erklärung einfach: natürlich besaß ich einen Einreisestempel, doch der befand sich in einem anderen Pass. Und dieser andere Pass lag in meinem Koffer bei meinem Freund im fernen Yaoundé. Reaktion des Polizisten wie früher beim Geheimdienst in Nigeria: Was, der Mensch hat mehr als einen Pass - das macht die ganze Sache ja noch dubioser! (Weil Afrika so viele Staaten hat, besass ich damals gleich fünf Pässe!)
     Jetzt war ich endgültig festgenommen, wurde aufgefordert mitzukommen. Ich nahm die Einladung dankbar an, denn das Osterwochenende 1970 war in Kamerun Wahl-Wochenende. Und indem mein Polizeichef die Wahllokale abfuhr, konnte ich miterleben, wie die Wahlen effizient gefälscht wurden: einige Wahllokale waren gar nicht erst geöffnet worden, in anderen hatte man nach einer Stunde gleich schon wieder mit einem hundertprozentigen Ja für den Diktator geschlossen.
     Der Diktator Ahidjo war binnen weniger Stunden mit großer Mehrheit wiedergewählt worden. Im Verwaltungszentrum Bertoua angekommen wurde ich auf Kosten der Polizei in ein Busch-Hotel eingewiesen und ich bekam sogar einen Essensgutschein. Ich solle mich nach zwei Stunden wieder melden, wenn man die Hauptstadt kontaktiert habe.
                                  ‚J’ai soif!’
     Ich bestand darauf, dass es „heiß und ich durstig“ sei, worauf mir die Polizei eine Literflasche Bier spendierte. Jetzt müsse ich mich noch beim örtlichen Büro des Geheimdienstes einstellen. Hier wiederholte ich das Spiel: es ist heiß und ich bin durstig. Wieder spendierte man mir eine Flasche Bier. Und dann noch zum General der kamerunischen Armee, der auch eine Flasche spendierte.
     Leicht angetütert erwanderte ich den dunklen Ort, im Zwei-Stunden-Rhythmus bei den diversen Autoritäten erfragend, ob es denn Nachrichten aus dem fernen Yaoundé gebe. Gab es nicht, wie mir der General bei erneutem Besuch und Bier sagte, denn man benötige die Funkleitungen für die ‚Übermittlung der Wahlergebnisse in die Hauptstadt’.
      Irgendwann am Ostermorgen teilte man mir dann mit, dass mein Fall geklärt sei, ich könne abreisen. Der General wünschte mir lachend viel Glück, denn die Mehrheit der Kameruner zogen es vor, am Wahltag im Polizeistaat lieber nicht zu reisen. Stunden später fand ich dann doch eine Mammy-Lorry, die sich über die miesen Buschstraßen Richtung Yaoundé quälte, bis der LKW einige Kilometer vor der Hauptstadt zusammenbrach. Den Rest fuhr ich dann per Anhalter.
     Mein Freund von der EG berichtete mir dann belustigt, wie der aufgeregte Geheimdienst bei ihm aufgetaucht und nach meinen Pässen gefragt habe. Die habe er tatsächlich in meinem Koffer gefunden und dem perfekt Deutsch sprechenden Geheimdienstler gezeigt. Jetzt müsse ich mich nur noch bei denen persönlich einstellen, ‚vonwegen Gesichtskontrolle’.
                     Ende einer pan-afrikanischen Reise
     Tat ich, und flog einige Tage später auf die Insel Fernando Po, die einzige ehemalige spanische Kolonie in der Gegend, die damals und noch für viele Jahre von dem brutalen Killer, Kannibalen und Umnachteten Macias Nguema terrorisiert wurde. Ich wohnte im einzigen Hotel am Ort, das vornehmlich von völlig verstörten UNO-Experten bewohnt wurde, die zwar ob der Papa-Doc-Verhältnisse völlig verschreckt waren, in Anbetracht ihrer fetten Gehälter aber brav aushielten, ganz so wie später andere UNO-Beamte unter den Killer-Regimen Idi Amins und Siad Barres in Uganda und Somalia aushielten...
     Ich aber beschloss nach zwei Tagen, die Horrorinsel zu verlassen und mit einer uralten DC-3 mit spanischen Piloten mit Drei-Tage-Bärten Richtung Douala in Kamerun zu fliegen. Dort ging ich schnurstracks zur Air-France-Niederlassung und bestand darauf noch in der gleichen Nacht nach Paris zu fliegen: vorzeitiges Ende einer panafrikanischen Reise und das einzige Mal dass ich Afrika vorzeitig verliess !