Gerd Meuer mit Nobelpreisträger Wole Soyinka
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„Das Leben schreibt die besseren Geschichten - blind...“

Da ging ich also seit Wochen mit dem Operationstermin schwanger. Nein, nichts dolles oder grosses. Nur eine Augenoperation: grauer Star. "Normal in Ihrem Alter", wie der Dokter sagt. Und er sagt auch:

"Ach, bei Ihrer Konstitution, da maache mir dat ambullant."

(Original-Ton Kölsch)

Und er sagt auch noch:

"Ich muss sie aber aufklären. Also: in einem von zweihundert Fällen sehen Sie nach der Operation schlechter als vorher. Und in einem von zweitausend Fällen werden sie blind."  Und setzt nach: "Aber die Chance ist gering."

Die "Schanx", die ist "GERING?" Eins zu ZWEITAUSEND!

Das ist ja tausende Mal "besser" als im Lotto - oder eben... schlechter. Aber egal wie auch: es wird gemacht, denn mit diesem "Milchglasblick" geht's nicht weiter. Blind durch’s französische Massif und dann nächtens nach einem Konzert im
Languedoc hinter den Lastern her..., um nachhause auf’s Dorf zu finden. Nein, nicht nächtens unter einen Traktor-Anhänger voller Trauben: Ich möcht‘ noch ein, nein, viele Konzerte dort erleben!

Dies war dann erst mal „der Stand“, und eigentlich auch noch keine „Story“. Es ist dann doch noch eine geworden, und deshalb musste ich also erst einmal auf dem Monitor meines Computers die Buchstaben von den normalen "Punkt 12" auf
"Punkt 20" aufblasen und die dann auch noch "FETT" abbilden:  damit ich meinen eigenen Text lesen, und anschliessend auch meine Tippfehler korrigieren konnte! Doch weiter mit der „Story“ oder dem „wahren Leben“... 
        Vor der Operation mache ich also „sehenden Auges“, na ja, Schemen-sehenden-Auges noch mal einen Spaziergang am nächtlichen Rhein. Auf dem Rückweg in die Nordstadt blenden mich "Die Lichter der Grosstadt", der beleuchete Dom und der „Tanzbrunnen“ von der anderen Rheinseite, ja selbst die schwach beleuchteten holländisch Schipper mit ihren Kähnen (doch die finden ja Dank Radar ihren Weg wie die Fledermäuse): ich aber muss höllisch aufpassen, dass ich nicht über Bordsteine stürze. Ich der noch-ETWAS-was-Sehende. Nicht so der Mensch, der mir entgegenkommt, sich mir entgegentastet: da kommt doch tatsächlich spät nach Mitternacht ein Blinder mit weißem Stock – doch: das kann ich noch wahrnehmen! - "immer an der Wand lang". Und geradewegs lustig aus seiner Eckkneipe. Nee, der braucht keinen Zechbruder, der ihn nachhause geleitet: wer den Weg in die Kneipe hin-riecht, der findet auch den Weg nachhause wieder.

Ich aber werd' es üben müssen, falls ich nun doch "besser" als im Lotto abschneide und... erblinde. Mein blinder "Kölsch"-Nachbar wird mir sicher einen kleinen Einführungskurs im Nachhause-Finden geben. Der MUSS! Mein Nachbar, denn: auf seine alten Tage will mein Pudel-cum-Kuvacz-Kurzbein-Wollbär-Hund nicht mehr den Blindenhund machen. Nicht dass der nicht mehr könnte. Der will bloss nicht mehr. Wie das? Der will nicht mehr, seit ihn - weil un-angeleint - eine pensionierte Studiendirektorin (das muss die sein!) als "PITBULL" diffamierte... das aber ist, wie LOLA – nach Monty Python – findet: "eine ganz andere Geschichte"....

Und dann fand also endlich die die erste Augen-Operation statt: sie dauerte gerade einmal 15 Minuten und dann war es vorbei: Augenklappe drauf. Am nächsten Tag wieder zum Dokter  - zur Kontrolle: Klappe weg, und: Eine
NEUE glasklare Welt. Ein kleines, NEIN: ein GROSSES Wunder also!!! Der Dr. Weber ist Weltklasse!

Weil ich diese Zeilen nun SEHENDEN Auges tippe, kann ich nun auch bekennen, dass  meine Wohnung ein wahrer SAUSTALL gewesen sein muss: ich glaubte die gereinigt zu haben; ich glaubte lange Flurwände „fehlerfrei“ weiß angemalt zu haben: Alles ein einziger Irrglaube: die Bude war dreckig und die Wände zeigten die Pinselspuren eines van-Gogh-mäßigen Wahnsinnigen. Ich hatte weder Dreck noch Pinselspuren gesehen. Wie mir die zu Besuch weilende Personalchefin einer deutschen Kulturinstitution offenherzig-ehrlich bescheinigte, nachdem sie erst einmal – und das eifrigst und ausdauernd - mein Bad gereinigt hatte!

Eine Stunde nachdem der Dokter den Verband vom Auge genommen hatte, hab ich dann ALLES in schönster Schärfe gesehen: une vraie catastrophe!!! Und jetzt kommt  also das linke Auge dran: das hatte ja stets nur 40 %, zuletzt nur noch 20 Prozent Sehstärke. Der Dokter aber meint er „bringt es auf fuffzig oder mehr.“ Also wer immer auch ein solches STAR-Problem hat, auf zu Dr. WEBER in Köln-Mühlheim, direkt hinter der Brücke. Geht alles ambulant.

NUR: MACHEN muss man's - und das vielleicht etwas direkter als ich es tat, denn... Beim ersten Besuch hatte der Dokter was von Schmerzpillen erzählt, die er mir „für nach der Operation“ mitgeben werde. Ich: „Nee, brauchen sie nicht. Die nehm ich doch nicht. Schmerzen sind das rote Licht des Körpers, eine Warnung. Das muss man aushalten.“ Er: „Wie sie meinen!“ Und weil ich keine Pillen nicht nehme,
habe ich dann prompt auch seinen Merkzettel „für VOR der Operation“ NICHT gelesen. Ich erinnerte mich nur dunkel, dass ich vor der Operation eine Tinktur in’s Auge tröpfeln sollte. Die Tinktur habe ich mir dann wirklich noch kurz vor Ladenschluss gekauft. 

Und dann entdeckte ich bei Lektüre des Merkzettels am Vorabend der Operation, daß ich bereits drei Tage lang hätte tröpfeln sollen.

Hatte ich aber nicht.

Hab‘ ich am Morgen der geplanten Operation kleinlaut beim Dokter angerufen. War der erst sauer und erzählte was von „Ausfall-Honorar für mein vierköpfiges Team...“, um mich dann wissen zu lassen, daß ihm ja „jemand im Team fehle“, und er zudem am Tag nach der Operation auf einen Kongress in Houston, Texas, müsse. Dann könne er mich also nicht kontrollieren, falls... siehe LOTTO oben: „Wir verschieben also auf die nächste Woche.“

Jetzt wusste ich wenigstens, daß ich träufeln musste. Und vor dem neuen Termin hab‘ ich dann auch brav geträufelt. Und am Abend vor der Operation lese ich dann noch einmal seinen Zettel: und oh Schreck: da steht drauf, daß ich „Generalbefund vom Hausarzt etc. etc“ beibringen muss. Ich dachte mir, dass ich den ja von Freund Dokter Rainer hätte... War aber nicht so: ich hatte allein den zweiseitigen Computerausdruck seiner Rechnung.

Auch nicht schlimm, da ich den ja auch zuhause anrufen kann und der den „Befund“ ja dem Augen-Kollegen am nächsten Morgen – zwei Stunden vor der Operation – zufaxen kann. ABER: „Rainer, hast du auch die GERINNUNGSPARAMETER (ich sagte natürlich: „Gesinnungsparameter..“?“ Rainer: „Nee, has hab ich nicht gemacht...“ Also: Operation erneut verschieben? Das kostet dieses mal dann so richtig Geld.

Ich: „Rainer, wo bekommen wir die Parameter jetzt auf die Schnelle her?“ Rainer: „Ich kenn da ein Labor in Köln, die können das gleich morgens machen. Ruf mich um halb neun in der Praxis an.“ ...Und jetzt fange ich am Abend vor der Operation, gegen halb elfe doch an journalistisch-investigativ zu „funktionieren“: Telefonbuch suchen, Adressen des nächsten Krankenhauses, gleich um die Ecke raussuchen, die Ambulanz verlangen.

Frau Dr. Röm sagt, das könne man „gleich am nächsten Morgen machen“;  ich soll gleich um achte als Erster da sein. Ich bin um achte mit Handy dort, Blut wird abgezapft, ich soll ne Stunde warten. Dann hab ich’s.

     Ich rufe Freund Rainer an und sag ihm: ich hab’ sie schon, die Parameter! Halb blind gehe ich zum Bankautomaten am Hauptbahnhof, dann zurück zum Hildegardis-Krankenhaus, bekomme tatsächlich meine Parameter ... Bekomme meine
„GESINNUNGS“-Parameter: ich kann zur Operation gehen. Dem Dokter erzähl ich aber NIX.

Die Anästhesistin hat mich bereits begrüsst, ich habe das OP-Hemd an, als der Kaffee drückt und ich meine, dass ich „doch besser noch einmal für kleine Jungs ginge“. Als ich an der Praxis-Theke vorbeikomme, meinte die – sprichwörtliche –
Blondine-Empfangsdame: „Sie wollen sich wohl vor der Operation drücken?“ Ich: „Mich drücken? Wo denken sie denn hin? Ich will wieder sehen!“      

Also wieder hin zur Anästhesistin und endlich rein in den OP. Der Dokter operiert in 15 Minuten. Die Anästhesie war wohl etwas zu „dünne“, denn ich habe alles mitbekommen: wie der Dokter schnibbelte, dann die Dreck-Kristalle lautstark aus dem Auge weg-baggerte, absaugte. Dann die neue glibberige Linse einschob. Und dann sein finales: „FERTIG!“

Und es wurde das obige Wunder. Bei der Operation am zweiten Auge hat die Anästhesistin mir dann „die volle Ladung reingehauen“. Und ich hörte nur das „FERTIG.“ Und wanke wie beim ersten Mal nachhause, über die Müllemer Bröck.      

Doch das nächste Mal LESE ich jeden Dokter-Zettel: VERSPROCHEN!!! 
            Das Ganze: NICHT zur Nachahmung empfohlen!