Gerd Meuer mit Nobelpreisträger Wole Soyinka
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„Telefonieren Sie mit Ouagadougou“

     Als Reisekorrespondent Westafrika erfand ich etwas, das es so bis dahin ind der ARD noch nicht gegeben hatte: Direkt- oder Anrufsendungen aus Ouagadougou, Niamey, Lagos, Dakar, Cotonou mit den Funkhäusern in Köln und dem SFB in Berlin. Da lud ich dann zu einem bestimmten Thema deutschsprachige Afrikaner und auch mal Deutsche ein und die Hörer in Düren, Lemgo oder im Wedding konnten meinen Gästen im Studio Fragen stellen.
     Dass dies möglich sei, das mochten auch die weltweiten Techniker in den Funkhäusern eigentlich nicht glauben. Die sagten mir am Telefon immer wieder: Meuer das gibt es doch nicht. Es gab es immer wieder.
 

 African Time...

     Da afrikanische Freunde ja selbst eher kokettierend vom afrikanischen Zeitbegriff bzw. von der chronischen afrikanischen Unpünktlichkeit erzählen, dürfen wir das also auch. 
     In den dreißig Jahren wiederholter Besuche in Ghana hat - bis zur Ankunft des Mobil-Telefons - eigentlich nie die Kommunikation mit dem Ausland funktioniert. So auch Anfang der achtziger Jahre, als ich mal wieder in Kumasi war und gleich ein halbes Dutzend bunter Stories loswerden wollte. Also auf zur Post und die Bitte um eine Telefonleitung nach Deutschland. Antwort: ja, wir haben das notiert, kommen sie also nächste Woche wieder. In einer Woche aber würde ich jängst schon drei Länder weiter sein. 
     Doch die ‚afrikanische Zeit’ hat ganz offensichtlich die beherrschende Tendenz auf die ‚mal-bronzés’ oder in Afrika lebende Weißgesichter abzufärben. Wie ich in Niger erleben sollte. 1983 fuhr ich eine meiner Live-Sendungen aus Niamey in Niger. Die Leitung war Wochen vorher bestellt, die Kollegen beim Funk, darunter zwei deutsche Cooperanten, waren zeitig genug informiert worden. Mit einem deutschsprachigen nigrischen Veterinär, einem Techniker, dem deutschen Fußballtrainer und dem deutschen Botschafter Harry Ganns sitzen wir also zeitig genug im Studio und harren darauf, dass man uns wenigstens eine Viertelstunde vor der Sendung nach Köln durchschaltet. 
     Nichts tut sich, der Sendebeginn verstreicht, ich werde sauer, eile aus dem Studio, mache dem deutschen Techniker-Kooperanten Vorhaltungen. Worauf der nun bei der Satelliten-Station der nigrischen Post anruft, wo er einen französischen Techniker an die Strippe bekommt. Der sagt: „Wenn es denn heute schon zu spät ist, dann können wir das ja morgen machen.“ Da übernahm ich, beschimpfte den als ‚neo-kolonialen Nichtstuer’, drohte ihm mit Konsequenzen, wenn er nicht sofort eine Leitung nach Köln besorge. Zehn Minuten später hatten wir dann eine See-Leitung nach Köln.
   

 „In Agades gibt’s kein Studio!“

      Gleich mehrere Geschichten gibt es mit seiner deutschen Exzellenz Botschafter Dr. Harry Ganns, der irgendwann in den achtziger Jahren an seinem neuen Dienstort Yaoundé eintraf, wie es sich gehört mit Daimler-cum-Adler-Stander vom Flughafen abgeholt und in seine Residenz gebracht wurde, wo sein Chefkoch ihn begrüßte: „Excellence, qu’est-ce que tu veux manger?“ 
     Als Harry noch als Fussball-Botschafter in nigrischen NIAMEY agierte, war der frühere Pressesprecher des Auswärtigen Amtes natürlich der ideale Gesprächspartner für meine Live-Sendungen mit WDR und SFB aus dem Sahel. Und zwar nicht nur aus der Hauptstadt Niamey, wo es ja immerhin einen nationalen Rundfunk gab, sondern – völlig vermessen – aus der Stadt AGADES, in der Sahara. Freund Otto Engstfeld vom WDR hatte ich angeboten, just an Ostersonntag eine ganze Stunde live von dort für das ‚Sonntagsmagazin‘ zu bestreiten. 
     Sofortiger Einwurf der WDR-Technik: „Geht nicht, da gibt’s doch gar kein Studio!“ 
    Gabs aber doch. Und wir fanden es auch, vorsichtshalber bereits zwei Tage vor Sendung. Begaben uns zusammen mit WDR-Techniker Siggi Burghardt zwei Stunden vor Sendung dorthin. Als der lokale Techniker Siggi sein – einziges – Studio zeigen wollte, klappte er auch das Mischpult hoch und, um uns dessen Innereien sehen zu lassen... und ließ es dann fallen. Siggi: „Das war dann die Sendung!“ 
     Genau nach den Nachrichten und den Verkehrsmeldungen aus NRW gingen wir dann aber so gegen 10.08 am Sonntagmorgen 1982 blind auf Sendung.  Jedenfalls taten wir so, als seien wir ‚auf Sendung‘, denn wir hatten keine ‚Rückleitung‘, das heißt, wir hörten Köln nicht. “Macht nichts, Exzellenz Harry: wir tun einfach so als ob die in Köln uns hören, machen unsere 5 mal sechs Minuten mit Musiktrenner, und dann können wir nur hoffen, dass die uns in Köln auch hören.“ 
     Und legten – getreu nach Goethe - los zu „Von Hitze noch frei sind Dünen und Hütten“, und plauderten auf Allah komm raus. 
     Obs in Köln ankam, ob wir die Hörer in NRW beglückten, wir wussten es nicht. Doch wenig später erfuhren wir, dass man uns gehört hatte – auch ohne Rückleitung. Köln hatte uns gehört, uns auf Band aufgenommen und dann jeweils zeitversetzt versendet.
 

 Wie sich die Zeiten ändern

            Irgendwann bin ich mit einer Geschichte zu den Wahlen in Nigeria live auf dem Sender beim SFB in Berlin. Im Verlauf des Gesprächs bittet mich die Kollegin: „Ach, Kollege Meuer berichten Sie uns doch auch gleich noch über den Krieg im Tschad.“ 
     Darauf Ich: „Ich bin 2.000 km weit weg in Lagos, Nigeria. Da wissen Sie in Berlin mehr als ich.“
 
     Darauf die Kollegin: „Darüber machen wir dann morgen mal ne Sendung!“
     Ginge heute so natürlich nicht mehr, wäre ohne Witz. Denn heutzutage kann der Korrespondent auch 2.000 Kilometer vom Ort des Geschehens entfernt im Internet alles über den Krieg im Nachbarland nachlesen, und fast egal wo in Afrika ist er übers Handy erreichbar, oder jedenfalls dann, wenn ihm sein Sender ein Satelliten-Telefon mitgegeben hat.