Gerd Meuer mit Nobelpreisträger Wole Soyinka
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Père oder Journalist, du bist!“

     Alors, père, cette réunion, elle aura lieu ce soir? Also, Pater, diese Versammlung, die findet doch heute Abend statt, oder?“

     So die Frage eines mittelaltrigen Afrikaners, die er mir im Vorbeigehen stellte, als ich die Hauptstraße ‚Avenue de Gaulle‘ in der kongolesischen Hafenstadt Pointe-Noire entlangschlenderte. Es war früh am Sonntag, ich war unweit des lokalen Bischofssitzes, und was lag da näher, als das ich, der weißbärtige Weiße, eben auch Révérend Père, also missionarischer Hochwürden sei. Zumal als ich auch noch in quasi-Arbeitskleidung herumlief: einer leichten, dunklen Cord-Hose und darüber ein handgewebtes langes indisches Leinenhemd. Kaum verwunderlich also, das ich in dieser Aufmachung und an diesem Ort als ‚Père’ angesprochen wurde.

     Häufiger aber wird man in diesen Tagen noch als ‚Monsieur le Journaliste‘, als der ‚Herr Journalist‘ angesprochen. Vor allem natürlich, wenn man als einziger Weißer weit und breit und bei 46 Grad im Schatten per pedes durch die sandigen Straßen der im Bürgerkrieg zerschossenen Hauptstadt des Tschad, N’Djamena, herumwandert, um sich die Schäden eines neunmonatigen Stadtbürgerkrieges an zu sehen. Da begrüßen einen dann die hinter aufeinander getürmten Kühlschränken oder Möbelstücken biwakierenden Kämpfer der einen oder anderen Bürgerkriegsfraktion lauthals als ‚Monsieur le Journalisten begrüßt und gleich noch informiert: „Sehen Sie, das sind die Folgen eines Krieges‘, ganz so als kenne man als Europäer nicht die Folgen eines Krieges... hier aber ist das Erlebnis eines Krieges mit so modernen Waffen eben noch keine neue Erfahrung.

     Auch in Bangui, der Hauptstadt des verflossenen ‚Kaiserreiches‘ des Jean-Bedel Bokassa wurde ich kurze Zeit zuvor gleich als ‚Journaliste‘ ausgemacht. Dort aber mußte ich rasch zu erkennen gebe, das ich KEIN französischer Journalist sei, denn die waren dort verdammt schlecht angesehen, weil man sie für ‚Fälscher‘ der Wahrheit hielt, waren sie doch mit des Kaisers Nachfolger gleich aus Paris eingeflogen worden  – als Deutscher aber fand man mich sympathisch.

     Schlußfolgerung: wer sich in diesen Tagen in afrikanischen Haupt- oder auch Kleinstädten bewegt, der ist in afrikanischen Augen entweder ‚Père‘ oder ‚Journalist. Jedenfalls dann, wenn der Weiße sich zu Fuß bewegt, mehr noch , wenn er sich außerhalb der weißen Geschäftszentren bewegt. Denn Weiße, wenn sie nicht gerade in ihren Villen im weißen Ghetto oder in der Bar ihres Clubs hocken, bewegen sich grundsätzlich im Auto, dieses von ihnen fest verschlossen, wegen der kühlenden Klimaanlage aber auch als Schutz gegen die Taschendiebe, die an der Ampel oder an einer Stra0enkreuzung mal rasch ins Auto langen. Zu Fuß bewegen sich allenfalls noch ‚Pères‘ oder eben Journalisten, natürlich mit Ausnahme jener Journalisten, die sich ihre ‚substanziellen Nachrichten über Land und Leute bei ihren ‚zuverlässigen Informanten an der Hotelbar oder beim Diner bei ihrem jeweiligen Botschafter in dessen Residenz beschaffen.

     Diese Kollegen aber gehen dann auch nicht das Risiko ein, gleich auf der Straße festgenommen und für 36 Stunden eingelocht zu werden, nur weil sie eine Reportage über die ‚National Radrundfahrt‘ in der brütend-schwülen Atmosphäre am Äquator machen wollten.

 

Nachsatz und Berichtigung:

     Nein, die Frage nach dem Beruf – ‚Père oder Journaliste?’ - ist nicht zwei- sondern eher dreiteilig.… 
     Irgendwann Anfang der achtziger Jahre schaffe ich es nur mit Mühe, Ghana auf dem Landwege Richtung des nördlich gelegenen Burkina Faso zu verlassen: nach dem Putsch des Flight-Lieutenant Jerry Rawlings gab es einfach kein Benzin
im Lande bzw. die Marktfrauen und Händler hatten es aus Boykott vom Markt verschwinden lassen. Mit Hilfe von zwei Kanistern, die eine Bekannte aus… einer Kaserne geschmuggelt hatte, gelang es mir dann doch noch bis zur Grenze, bis nach Bolgatanga zu gelangen.

     Damals sassen die Grenzer noch gemütlich unter einem Baum und gemächlich schlürfte ich in der Bullenhitze zu den Karten spielenden Beamten. Ich wurde freundlich begrüsst:
     „Ah Doctor, arbeiten Sie immer noch für die Weltgesundheitsorganisation, die WHO?“ Ich log spontan: „Aber sicher doch!“, weil ich mir davon – weil jetzt UNO-
Beamter – einen rascheren Grenzübertritt erhoffte. Rasch hatte ich dann auch einen Stempel im Pass, doch dann fiel dem Grenzer noch etwas ein:

     „Doctor, meine Frau ist im achten Monat schwanger. Könnten Sie die wohl mal untersuchen?“ Jetzt wurde mir noch schwüler, denn ich sah mich schon bei einer
‚Untersuchung’ der acht Monate schwangeren Afrikanerin… 
     Ich log ein zweites mal: „Mein General, tut mir wirklich leid, aber Sie wissen ja sicher, dass es auf der anderen Seite der Grenze eine schlimme Epidemie gibt!“ Das aber war diesseits der Grenze sehr wohl bekannt, und so liess man mich davonziehen.

     (Meine katholischen Missionarsfreunde von den ‚Weissen Vätern’ pflegten dies - traditionsgetreu - eine ‚lässliche’ oder auch ‚nützliche’ Lüge zu nennen!)