Gerd Meuer mit Nobelpreisträger Wole Soyinka
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Das Leid des Korrespondenten mit, an den Agenturen

     Einmal jährlich kamen die Auslandskorrespondenten mit den Chefredakteuren der ARD zu einer Tagung zusammen. Einige von uns wurden auch regelmäßig zu Medientagungen der engagierten Evangelischen  Akademien eingeladen. Bei all diesen Treffen wurde stets die gleiche Litanei gesungen, die Klage gegen  die ‚Agentur-Gläubigkeit der  Kollegen  in  den Funkhäusern’. Und wenn wir so sangen, dann sangen wir eigentlich nur gegen eine Agentur, gegen die sehr teutsche dpa.

     Das war eigentlich nicht der richtige Adressat, denn in Schwarzafrika war dpa mit Ausnahme von Nairobi nur durch den gelegentlichen afrikanischen stringer oder free-lancer vertreten. Ansonsten schrieb dpa auf Grund vertraglicher Abmachungen nur bei anderen Agenturen ab und verschlimmbesserte deren Berichte in der Übersetzung in Hamburg.

     Ein wesentlicher Teil der Afrikanachrichten in den Funkhäusern der ARD konnte in Ermangelung eigener Korrespondenten einfach nur von afp kommen, und da wäre eigentlich – angesichts der finanziellen und politischen Abhängigkeit der französischen Agentur vom Quai d’Orsay, also vom französischen Außenministerium und mehr noch, von der Cellule Afrique beim Präsidenten - höchste Vorsicht geboten gewesen. 
    Wieviel Vorsicht, das schilderte mir der zeitweise Kollege der afp im senegalischen Dakar, wo ich stets dessen technische Einrichtung nutzte. Der  hatte bereits  Anfang der sechziger Jahre im ehemals belgischen Kongo  gedient und  den  ‚unwiderstehlichen Aufstieg’ des  früheren  CIA-Agenten  Mobutu zum ewigen Präsidenten miterlebt. Aber auch den Aufstieg eines halben Dutzends anderer Diktatoren, die von Frankreich an die Macht gehievt und dort gehalten wurden – so lange sie Paris genehm waren. (Notfalls wurden sie, so wie Kameruns langjähriger Diktator El Hadj Ahmadou Ahidjo, auch mal rasch als ‚unheilbar krank’ diagnostiziert, in die Villa bei Grasse einquartiert, während gleichzeitig zuhause in Yaoundé sein bis heute regierender Nachfolger Paul Biya
installiert wurde.)

     Über die Tätigkeit der diversen französischen Geheimdienste hatte der Kollege von afp in seiner Freizeit einen bestens dokumentierten zweibändigen Wälzer geschrieben - der jedoch  nie erscheinen  durfte. Der französische Geheimdienst untersagte es dem Verleger einfach.

     Bei  diesem Kollegen im Senegal traf ich eines Tages auch den afp-Kollegen aus  dem benachbarten  Wüstenstaat  Mauretanien eher zufällig. Ich  hatte  gerade Präsident Senghor zu dessen 70. Geburtstag interviewt. Der Kollege  von Dakar  wollte wissen, was mir der „Dichter-Präsident“ denn schon wieder an philosophischen und politischen Gemeinplätzen verkauft habe. Ich erzählte ihm das Senghor’sche Bonmot, das ich am schönsten fand: „Wie  mein Freund Mitterand sagt, sind drei bis vier Parteien genug für eine Demokratie.“

     Das Zitat kaum zuende zitiert, erschallte aus dem Nachbarzimmer ein lauter Ruf des Unglaubens: „Was soll mein Vater  gesagt haben?“ Die Stimme war eindeutig eine weiße. Aber WER bezweifelte dort die väterliche Aussage?

      Aus dem Nachbarzimmer tauchte ein Mensch mit dunklem Wuschelkopf auf, stellte sich als der afp-Kollge aus dem mauretanischen Nouakchott namens Christophe Mitterand vor.  Der  Mann  sollte noch Karriere machen, nachdem  Pappi  im  Elysée gelandet war: er wurde Afrika-Berater des Vaters, Freund von  Diktatoren wie Eyadema von Togo und Mobutu von Zaire, Geschäftemacher bis in die Tages des Massakers in Ruanda, Waffenhändler – was ihn dann schließlich vor Gericht und in den Knast brachte: noch so eine typische französische Journalisten-Karriere.

     Nein,  die Kollegen von Reuters waren da schon einen Schlag  besser.  So der Kollege in Lagos, der seit drei Monaten im Land war, aber immer noch keine  Telex-Leitung in seinem Büro hatte: die Ratten hatten all seine Außenleitungen angeknabbert und so kletterte der Kollege akrobatisch an den  Außenwänden  herum,  um neue zu ziehen. Er  sollte nicht viel Vergnügen daran haben. Nein,
nicht die Ratten machte seine Arbeit zunichte. Wenige Tage nach erfolgreichem Strippenziehen kam vielmehr ein  drogengefüllter junger Militär in sein Büro und forderte ihn auf, die Nachricht von der Ermordung des Generals Murtala Mohammed wenige Minuten zuvor sofort nach London zu melden. Bei dem Mann handelte es sich um den Attentäter persönlich, wurde wenige später aber geschnappt. 
    Der Kollege von Reuters  aber wurde erst einmal als „Komplize“ für Wochen festgesetzt, dann des  Landes verwiesen.

     Ganz anders die französischen (!) Reuters-Kollegen in Abidjan. Denen ging vermutlich niemand in die  Bude - so wenig wie sie diese verließen. Als ich gerade mal wieder ihr  Telex verwenden  wollte, befragte ich die auch gleich nach ihrem Wissensstand über den damaligen Streik der Studenten und Hochschullehrer in Abidjan. 
     Antwort: alles zu Ende, es ist Ruhe eingekehrt!

     Wie bitte? Ich  war  gerade  auf dem Gelände der Uni gewesen,  hatte mit  einem  der Streikführer gesprochen und wußte es wieder einmal – doch! - besser. Zudem wußte ich vom Minister für höhere Erziehung Bala Keita, daß  der ‚denen  das Rückgrat brechen’ wollte. Denn zu Bala hatte ich ja  jeder Zeit  Zugang, seit ich den mal als Gesprächspartner in einer meiner  90-minütigen  Live-Sendungen  für WDR und SFB gehabt  hatte.  Bala  nämlich hatte in Gießen Veterinärmedizin studiert und sprach fließend deutsch.

Nachsatz: Also, einer dieser seltenen dpa-Korrespondenten in Westafrika nahm eines Tages an einer dieser vielen Tagungen teil und befragt, wie er denn so zu seinen Nachrichten komme, sagte der doch tatsächlich, dass er stets zuerst zur jeweiligen deutschen Botschaft gehe… wo ich natürlich NICHT hinging.

     Im nigerianischen Lagos aber da hatte der Mann zeitweise sein Büro beim Staat im Staat, der deutschen Baufirma Julius Berger aufgeschlagen. Von dort berichtete er – aus dem Büro – über die Vorgänge der Wahlen. Als einer der Manager unseren Mann von dpa dann einmal um eine Kopie seiner Berichte bat – ‚nur mal so zur Information’ – da war unser Mann aus Hamburg sein Büro los: der Mann von Berger fand die Berichte des Mannes von dpa einfach zu abstrus, „der hebt ja nicht einmal seinen Arsch aus unserem Büro“, wurde mir berichtet.