Gerd Meuer mit Nobelpreisträger Wole Soyinka
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Madame Collaps…

      Eines abends (Ende der sechziger Jahre) schnipple ich mal wieder Tonbänder für meine sonntägliche Sendung ‘Dimanche Pele-Mele‘ (Sonntagsdurcheinander) im Rundfunk des Sahellandes Mali – die einzige fünfstündige Sendung Schwarzafrikas, die im Alleingang von einem Weißgesicht moderiert wird…
Ich schnipple Bänder in meinem winzigen, verschwitzten Büro im winzigen Rundfunkgebäude, als ich - ungewollt – über den schmalen Gang einem malischen Kollegen bei der Arbeit zuhören muß. Der schneidet offensichtlich hartnäckig an einem Interview für die abendliche Nachrichten-Sendung des ‚Journal Parlé‘ herum. Seine Interview-Partnerin hat eine eindeutig europäische Stimme - mit starkem südlichem Akzent. Ich höre wie die Dame auf Befragung hartnäckig erwidert, daß sie "hier nicht singen' könne, weil sie ‚ein Orchester braucht‘ und 'im Übrigen sehr müde' sei. 
      Ich gehe über den schmalen Gang zum Kollegen und frage ihn, wen er denn da interviewt habe und ob er mir das Interview mal vorspielen könne. Ich höre rein ins Interview und der Kollege verrät mir, daß die Dame 'Collaps' heißt - oder so - und daß sie ‚eine Sängerin‘ sei. Die sei wohl prominent und mit gleich zwei Männern zu Besuch in Mali. Nach längerem Befragen und Einblick in seinen Notizblock erfahre ich schließlich, daß die ‚Chanteuse’ ‚Kollaps‘ niemand anderes als Maria Callas ist. Begleitet wird sie von einem Filmemacher namens Piero Pasolini und ‚einem’ Schriftsteller namens Alberto Moravia. Ich bitte den Kollegen, das ganze Band anhören zu dürfen. Beim Durchhören des Bandes ‚entdecke’ ich, daß der malische Kollege die befragte Sängerin für eine Kollegin der damals in Mali so beliebten griechischen Brillenträgerin Nana Mouskouri hielt, so daß das Interview wie folgt ablief: 
"Frau Collaps, was sind denn Ihre Lieblingssongs?"
Antwort der Callas: "Ich singe keine Songs, ich singe Oper."
Frage: "Können Sie uns einige Ihrer bekanntesten Songs nennen?"
Callas: "Lieber Freund, ich habe keine Lieblingssongs, ich singe Arien oder Lieder." 
Frage: "Frau Callaps, werden Sie hier in Mali auftreten?"
Callas: "Nein, mein Freund, dafür brauche ich ein Orchester." usw. usw. 
Bis die Callas dem Kollegen bedeutete, daß sie 'sehr müde' sei. 
Ende des Interviews.
    Ich bitte den Kollegen inständig, das Interview bloß nicht zu senden, weil er da etwas mißverstanden habe. Er wollte es nicht begreifen. Doch woher sollte mein Kollege aus dem Land von Kora und Balafon, den man ‚einfach so’ für ein VIP-Interview zum Flughafen geschickt hatte, es auch wissen? Meine ‚Aufklärung’ erfolgte am, nächsten Morgen – als seine israelische Exzellenz im Rundfunk vorfuhr. Der befreundete Botschafter berichtete, daß er die Callas und ihre Reisefreunde Pasolini und Moravia auf dem letzten ‚leg’ einer dreimonatigen Weltreise zu Besuch habe. Und ob ich und mein französischer Entwicklungshelferkollege Jean-Claude – „Ihr seid doch beide große Musikliebhaber!“ – dem VIP-Trio nicht ‚Afrika ein wenig näher bringen könnten.“  Was wir dann erst beim Frühstück und dann einem gemeinsamen Abendessen auch gerne taten. Bei diesem erzählte die Callas ihren Reisegenossen und uns dann ihr Interviewerlebnis noch einmal nach - und das ‚con mucho gusto’.
    Das Interview wurde übrigens nie gesendet: nur Minuten vor der abendlichen Nachrichtensendung rief ich meinen Freund, den Radiodirektor, zuhause an und bat ihn, das Interview mit Frau ‚Kollaps’ in der Tonne mit ‚Tonband-Salat’ verschwinden zu lassen…

PS: Wir, Kollege Jean-Claude und ich, haben dann doch einen großen Fehler gemacht: wir haben die Afrika-Neulinge ‚Kollaps’, Pasolini und Moravia allein zu den Dogons reisen lassen; da wo Pasolini mit seiner aufziehbaren 8-mm-EUMIG-Kamera für sein ORESTIE-Vorhaben vor-hand-drehte ... Leider nahmen wir unsern Job als ‚Coopérants’ viel zu ernst!
Se non e vero, e ben contato...
            Ma, e vero!!!

    Vor wenigen Tagen las ich diese Geschichte – probeweise – einer deutschen Bekannten vor. Die, sorry, ‚Gutmenschin’ war empört: das sei doch eine... rassistische Geschichte… in der die Schwarzen als die Dummen usw. Was kann ich - ihr - als ‚Wiedergutmachung’ anbieten? 

    Nun, das Motto, die Intro zu meinen afrikanischen Erinnerungen aus 42 Jahren als Student, Coopérant, Korrespondent in Afrika,die demnächst bei – BOOKS NOBODY DEMANDS (BND) - erscheinen sollen (sollen? Wie müssen?).

     Und die INTRO geht – einfach – so: es braucht einen kleinen Vorspruch…

   Zusammen mit dem liebsten aller Kollegen und Freund Luc Leysen, Westafrikakorrespondent TV der ARD, verlasse ich die nigerianische Hauptstadt Lagos nach einem längeren Dreh an einem 20. Dezember Richtung Köln. 11 Tage später, am 31.12. die Nachricht erreicht uns in Brüssel/Köln die Nachricht vom ‚Sylverster-Putsch’ in Nigeria. Mehrere Tage warteten wir nervös darauf, dass der - üblicherweise nach einem Putsch geschlossene - Flughafen wieder geöffnet wird, wir wieder einfliegen könnten. Am 6. Januar 1984 können wir endlich einfliegen.Empfangen werden wir – wie üblich – von unserem ‚Medien-Berater’, Freund Yemi Ogunbiyi, mit dem ich zwei Jahrzehnte zuvor an der Universität Ibadan – in Nigeria – studiert hatte.
     Bei der Ankunft entwickelte sich der folgende Kurz-Dialog: 
      (Original-TON): 
    „Yemi, tell me: how much violence was there in the coup?“
     Yemi: “Not enough for you Television people.” 
    
(Übersetzung BRD-West, damals noch):
     LUC:  'Yemi, sag mal: wie gewalttätig war denn dieser jüngste Putschversuch?' 
     Yemi: 'Nicht genug Blutvergießen für Euch Fernsehleute, Luc!'