Gerd Meuer mit Nobelpreisträger Wole Soyinka
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Wole und Chinua

(Can some of those loud-mouthers please shut up !!!)

So genau kann ich mich nicht erinnern, aber auch Chinua Achebe muss ich irgendwann 1962 oder 193 mal im Mbari Mbayo Club in Ibadan getroffen haben, ganz einfach deshalb, weil dies damals der angesagte Ort für alle Kulturschaffenden war. Und gelesen hatte ich ihn natürlich auch. Als dann der 1. Oktober 1965 nahte, der 5. Jahrestag der nigerianischen Unabhängigkeit ging ich zu ihm in sein Büro beim Nigerianischen Rundfunk, für eine Einschätzung dieser fünf Jahre als unabhängige Nation. Es wurde eine kritische, weil sich zu zu dieser Zeit die Western Region, wo ich damals in Ibadan Student war, praktisch im Bürgerkrieg befand. 
Nur wenige Wochen später sollte ein gewisser Wole Soyinka nach der gefälschten Wahl den Rundfunk in Ibadan überfallen (s.w.u.). Und nach seinen Vorhaben befragt, enthüllte Achebe, er habe einen politischen Roman geschrieben, der auch bereits gedruckt sei. Die Regierung Tafawa Balewa aber habe angeordnet, dass die
druckfrischen Exemplare nicht aus dem Hafenlager dürften. Nach dem Militärputsch vom 15. Januar 1966 kamen die dann auf den Markt: es war Achebes Roman „A Man of the people“, der bekanntlich mit einem Militärcoup endet… 
Über die Jahrzehnte haben sich dann unsere Wege immer wieder einmal gekreuzt, so auch bei einem Berliner Festival, bei dem ich Achebes Eröffnungsrede in allerletzter Sekunde übersetzen musste. Intensiv waren die Beziehungen jedoch nie, weil ich eben Woles Schreibe der Achebes stets vorzog und mir das Getue um ihn – ohne sein Zutun! - durch seine Igbo-Landsleute stets zuwider war. 
Zur Feier zu seinem 60. Geburtstag an der Universität Nsukka bin ich dann aber doch gereist, zusammen mit meinem Kollegen Al Imfeld. Im Gästehaus der Uni wohnten wir zusammen mit dem besten Unterhalter und Zyniker – Ken Saro-Wiwa, der noch mehr als wir Weißgesichter darüber lästeerte, dass wir all-morgendlich und – abendlich den Hausa Warden um einen Eimer Wasser für unsere (nicht)- rituelle Waschung bitten mussten. 
Die Veranstaltung selbst war ein wahrer Graus, wie so viele in Nigeria, wenn sich das – nicht-lesende – Bürgertum, und in diesem Falle auch die Militärs mit dem ‚famous shon of da shoil’ schmücken: endloses Warten auf den stets zu spät eintreffenden dümmlichen Militärgouverneur, endlose Formalitäten, hirnrissige Reden etc. 
Wole Soyinka, der wegen einer anderen Reise verhindert war, ließ als Geschenk an Chinua eigens einen ‚white ram’ über-eichen. Böse Ibo-Zungen behaupten bis heute, dies sei ein vergiftetes Geschenk des Yoruba’ gewesen…
Die Reise von Lagos nach Nsukka und zurück – fast 2.000 km -war ein wahres Abenteuer, höchst gefährlich. Wie gefährlich musste Achebe wenige Wochen später erleben, als er noch im heimischen Osten in einen Verkehrsunfall geriet, der ihnfür immer in einen Rollstuhl brachte. Wegen der besseren medizinischen Versorgung lebt Chinua seither im Staat New York in den USA. Und erst 2009 kehrte er für eine
längere Tour in die Heimat zurück, wo das versammelte Igbotum ihm die üblichen schrecklichen Festlichkeiten bereitete, aufdrückte. 
Die dümmliche Kontroverse dümmlicher, komplexierter Kritiker und Journalisten, wer denn nun der ‚grössere Schriftsteller’ sei, ob Achebe oder Soyinka geht bis heute weiter. Die Igbos haben Soyinka einfach bis heute nicht vergeben, dass Wole und nicht Chinua den NOBEL bekam. Wo Chinua doch der afrikanischere sei. An der Freundschaft zwischen den beiden Schreibern der ersten Stunde aber hat dies nichts geändert: wann immer Wole in New York ist und die Zeit findet, besucht er ‚Bruder’ Chinua stets.
Chinuas Verdienste um die afrikanische Literatur sind unbestreitbar; Als Schreiber wie auch als langjähriger Herausgeber von Heinemann’s African Writers Series. Macht man aber einen Rundflug über das opus der beiden, dann darf man doch wohl
feststellen, dass Wole der vielseitigere Wortkünstler und Denker ist. Das dann doch.
Und liebe Igbo-Freunde: ich habe noch nicht gehört, dass es eine Literatur-Olympiade gäbe, in der etwa Fallada sich mit Thomas Mann messen müsste.