Gerd Meuer mit Nobelpreisträger Wole Soyinka
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Sich aller Sprachen und Traditionen bedienen

     Der amerikanische Romancier Francis Bebey, der zudem noch die Gabe besitzt, Musik zu machen (und auch in der alles zusammenmixt), bringt es in der Diskussion immer wieder auf den Punkt:
"also der europ. Autor, der kennt seinen Shakespeare, Goethe, Racine, T.S. Eliot, seine judäisch-christliche Tradition, seinen Bach und Beethoven. Ich aber kenne nicht nur die sondern auch noch meine Erzähler, meine afr. Religion, meine Pygmäenmusik. Wer von uns beiden ist also der reichere?”

Ganz schön selbstbewusst, arrogant? Oder doch realistisch? Oder wie Peter Ripken das formuliert hat: 
”Wer wollte afrikanischen Autorinnen das Recht bestreiten, sich aus unterschiedlichen Traditionen zu bedienen, sie zu nutzen wie einen Steinbruch?” (Voyage, S. 13)

Gilt also, was der nigerianische Schrifsteller Cyprian Ekwensi schon 1965 in Bezug auf die Verwendung der englischen Sprache geschrieben hatte:   
”my own definition of African writing is writing which reveals the psychology of the African. African writing is unique. It can be written by no one else but the African.” (Nig. Magazine,1965 )
Tiefsinnige Feststellung oder dumme Platitüde?

Immerhin wollte ich selbst schon einmal ”den definitiven afrikanischen Roman” schreiben – einen wüsten Mix aus Stereotypen der schlechtesten Schriftsteller... Doch ernsthaft:

SPRACHE und “afrikanische Identität” Oder:  ‚warum schreibt Ihr europäisch?’

Zunächst einmal zur Sprache, das heißt zur Verwendung des (kolonialen) Englisch. 

In ”Frantz Fanon’s Uneven Ribs‘ hat der aus dem südl. Sudan/nördlichen Uganda stammende Taban Lo Liyong, der sich als den Shakespeare’schen Caliban ezeichnet, geschrieben:

”One thing about Caliban: he was taught language,
and what a potful of curses it contained!
...Caliban said: You taught me language
And what do I do with it
But to curse, in my own way?
I am also called Taban,
Very near to Caliban
And was taught language,
And what do I do with it
But to curse, in my own way?
It serves mankind right
To teach men words
Without prior screening
Of those who would make
A human use of it
And those who would just stand
And tilt the word (and move it out of joint
By the mere power of words.

Das Land nicht noch einmal verlieren...

Was Taban hier in Gedichtform zur Sprache sagt, wurde später für die Literatur allgemein als

                              ”the empire writes back” 
kodifiziert. Sollte heißen: die Unterworfenen (Frantz Fanons ”Damnés de la terre”) schreiben gegen die Metropolen an- bzw. zurück. Auch das war nur eine Phase, nicht gerade die fruchtbarste der Literaturen der Dritten Welt: 
stets zu pamphlethaft, stets an unsere Adresse geschrieben. (s.w.u.)

Doch Taban schreibt weiter, geht über die Sprache hinaus, denn die ist ja nur ein Medium für Gedanken...wenn sie nicht poetischer, auch surrealistischer (Erkenntnis provozierender) (Selbst)-Zweck ist...

Coming fresh from outside
With your eyes clear
Your are able
To see more clearly
Through the smoke-screen
Of their culture
Which has glazed their eyes
Towards its imperfections
(but if you can recover from the shock
reassemble all pieces of the mirror, rebuild
the shattered chain of being, wenn, then go ahead,)
If not, then why not borrow openly?

Hier halten wir zwei Zeilen fest: nein drei. Die erste: 
”shed no tears for vanishing exotica...”  
- das hatten wir eigentlich schon. Deshalb also die nächsten zwei:
”The African is just a man,
participant in cultural transmission,
with his time, his beat his tempo.” 
Kultur ist etwas Fließendes, in Bewegung befindliches, und derAfrikaner bringt in den kult. Austausch sein Zeitgefühl, seinenbeat, sein Tempo ein. In eine Entwicklung, den ”Prozess des Erwachsenwerdens” (w.o.) Denn: 
”wenn die Kinder sich traditioneller Gefügsamkeit gegenüber den
anwesenden Älteren hingeben, dann geht das Land noch einmal verloren.”
(Dagegen Wole und Ogun, Kreimeier S. 159)

                        Es gibt keine afrikanische/schwarze Literatur...

Richard Rive, der südafrikanische Poet hatte die Absage an das behauptete "einmalig Afrikanische” so formuliert:

There’s no such tune as  a black tune,
There’s no such tune as a white tune;
There’s only music brother;
And it’s music we are going to sing,
Where the rainbow ends.

Diese Zeilen wurden zu schlimmsten Apartheid-Zeiten in Südafrika geschrieben, waren die Beschwörung einer ”höheren Synthese des Seins”.

Nigerias John Pepper Clark fand das damals etwas zu ”pädagogisch”. Er meinte aber auch, dass Rive ”wohl seinen Hals ganz weit rausstrecken wird, um uns mit Zeilen wie diesen zur ‚sanity‘ (intell. Gesundheit) zu erziehen.” (Transition Nr. 18, S. 23)

(Sowohl Rive als auch sein sympathischer Kritiker J.P. wussten, wovon sie sprachen: Sie haben sicher schon mal Dollar Brand und dessen eklektische musikalische Mischung gehört, südafr. Township music, amer. Jazz, wesleyanische Kirchenmusik, europ. Piano-Klassik, asiatische Pentatonik.... Michael Jackson sang von den Piano keys in black and ebony und der sich daraus ergebenden harmony...)