Gerd Meuer mit Nobelpreisträger Wole Soyinka
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Die unsäglichen Festivals – in Deutschland und in Afrika
 

Festivals zur afrikanischen Kultur und insbesondere zur Literatur gab es seit den sechziger Jahren unsäglich viele, sowohl in Afrika selbst als auch in Deutschland, und die meist waren leider unsägliche Veranstaltungen.
Beginnen wir mit dem ‚Festival des Arts Nègres’ 1966 im senegalischen Dakar. Doch! Wer immer sich heute – ob Afrikaner oder Deutscher – darüber aufregt, wenn der Terminus ‚Neger’ verwendet wird, der sollte sich vielleicht daran erinnern, dass der Senegaler Leopold Sedar Senghor zusammen mit seinen Freunden aus der Karibik in den dreißiger Jahren in Paris die NEGRITUDE erfand und dass der stets das Hohe Lied auf die ‚Civilisation Nègre’ sang…, und deshalb hiess dann auch das Festival im Senegal so.
Es war eine unsägliche Veranstaltung…
Derart unsäglich, dass der nigerianische Poet Christopher Okigbo sogar den ersten Preis als Dichter ablehnte. Seine Begründung: „There is no sich thing as African Poetry: there is only good and bad poetry!”

Kaum weniger schlimm, wohl aber um ein Vielfaches skandalöser waren dann die beiden folgenden Festivals auf afrikanischem Boden: das ‚Festival Panafricain de la Culture’ im Sommer 1969 in Algier, und dann die Neuauflage von Dakar im Januar/Februar 1977 in Lagos; FESTAC. Das war dann das ‘Festival of Black and African Arts’.
 
Zunächst aber Algier, wo die Kulturbonzen der regierenden FLN ganz gezielt ein politischees, progressives Anti-Festival zu dem von Dakar inszenierten. Zu diesem Zweck wurden vor allem marxistisch orientierte Kulkturschaffende und Kritiker    eingeladen, die dann fürstlich untergebracht und gewined und gedined wurden – damals floss in Algier noch Alkohol in Strömen:
Auch hier gab es ein intellektuelles Symposium, in dem die afrikanische Kultur noch einmal neu, streng nach marxistischen Vorgaben, erfunden wurde. Dabei blieb dann die Afrikanität mächtig auf der Strecke, und die arabische Arroganz gegenüber den Negern feierte fröhliche Urständ.
Senegals Romancier und Cinéast Sembene Ousmane bekam dies am eigenen Leibe zu spüren, und auch der amerikanische Black-Power-Ideologe Eldridge Cleaver formulierte dies so.…
Auf den Punkt brachte es dann der nigerianische Schriftsteller Joseph Okpaku, dessen Text, von Janheinz Jahn übersetzt, auch in der deutschen Presse veröffentlicht wurde, während die Kulturbürokraten der FLN diesen Text zensierten bzw.dessen Veröffentlichung untersagten.

Hier ist dieser Text tel quel:








Acht Jahre später dann FESTAC in Lagos. Es war aus gleich mehreren Gründen ein Riesen-Skandal.

Zunächst einmal aus finanziellen Gründen, denn bereits bei der Vorbereitung bereicherten sich nicht nur eine Vielzahl der organisierenden Militärs sondern auch viele Kulturschaffende, besser gesagt, unsägliche Kulturbonzen. Doch so richtig fand die Selbstbedienung dann während des Festivals selbst statt. Und Selbstbedienung war in großem Maßstab war möglich, weil die Militärs weit mehr als eine Milliarde DM zur Verfügung stellten. Von dieser Summe wurden dann vornehmlich Staatskünstler aus aller Herren Ländern, aus Afrika, der Karibik, den USA,ja selbst aus dem fernen, ‚schwarzen’ Papua Neu-Guinea eingeflogen. Weil es für die Tausenden von Besuchern an Hotelzimmern fehlte, wurde eigens vor den Toren der Stadt das ‚Festac Village’ erbaut, und mitten im Sumpfgebiet das‚National Theatre’ hochgezogen, ein Imitat der Berliner Schwangeren Auster.
Vor allem die Lagoser Marktfrauen wussten das Festival gleich vom ersten Tag an für ihre Zwecke zu nutzen: nicht nur Bier sondern auch Cola und Fanta verschwanden von den Märkten, waren nur noch zu Schwarzmarktpreisen - wenn überhaupt – zu haben. Die Preise für Nahrungsmittel explodierten. In den Höhlen des Nationaltheaters fiel stundenweise die Klimaanlage aus. Das Restaurationszelt auf der Wiese war aus Zeltplanen gebaut, auf die erbarmungslos die Sonne schien, so dass drinnen eine unausstehliche Hitze herrschte. In der Warteschlange fielen auch die schwarzen Künstler reihenweise um.
Nicht wenige der Schriftsteller retteten sich in den vier Wochen zu mir, weil ich nur wenige hundert Meter entfernt ein Gästezimmer im Haus des lokalen GRUNDIG-Direktors gebucht hatte, und dort auch über ausreichend Getränke sowie Nahrung vom Schwarzmarkt in einem populären Lagoser Viertel besaß… 
Das Festival selbst, von den Militärs üppig dotiert und von den kulturellen Hiwis liebdienerisch ausgerichtet, entwickelte sich so dann zu einem wahren Festival der Staatskünste, die sich von Tag zu Tag mehr als solche enthüllten. Seit Jahren schon ist das Theater praktisch eine Ruine, eine vor sich hin gammelnde Mammutbude. Wer eine der dortigen Toiletten besuchen möchte, der zieht am besten Gummistiefel an: überall stehen tiefe Wasserlachen herum, weil die sanitären Anlagen seit Jahren defekt sind. Nur in ganz wenigen Räumen funktioniert noch die Klimaanlage. Und schon seit Jahren versucht die Regierung, das gesamte Gebäude zu veräußern, doch regelmäßig melden sich laute Kulturschaffende zu Wort, die dieses Vorhaben als ‚kulturelle Schande’ bezeichen. 

1979 versuchte es dann eine gewisse Frau Häusler in Berlin, zusammen mit Jochen Klicker…
Dieses Festival hatte bereits eine Vorgeschichte, in der es fast zu Verleumdungsprozessen gekommen wäre, welche die Dame dann wohlweislich doch wieder zurückzog. Legion sind die Klagen der eingeladenen afrikanischen Autoren wie Camara Laye, Bessie Head oder auch Taban Lo Liyong.

Das Kontrastprogramm war und blieben dann über Jahre die ‚Internationalen Literaturtage’ in Erlangen…

1990 haben wir es dann in Berlin noch einmal in Eigenregie versucht, und das kam so…
Das Haus der Kulturen war gerade in Gründung und der alte Bekannte Joachim Helbig, zuvor als Goethe-Ditektor im kamerunischen Yaounde, hatte dort die Leitung der Abteilung Musik und Theater übernommen und mich an den für Literatur zuständigen Herrn Scharf vermittelt, der wiederum an mich herantrat. Der aber verabschiedete sichvor Beginn der Veranstaltung in einen Urlaub oder eine Krankheit, so dass wir frei walten konnten. Ich lud also etliche meiner schreibenden Freunde ein und wir übernahmen auch gleich noch sein Büro, in dem die afrikanischen Freunde dann das Telefon „leer telefonierten’… damals kostete dies noch!
Ausser Wole nahmen teil: Zaynab Alkali, Francis Bebey, Tsitsi Dangarembgwa, Shimmer Shinodya, Chenjerai Hove, Kole Omotoso und Pabe Mongo, den ich einfach aus einemDeutschkurs im Goethe-Institut im Schwäbisch-Hall entführte.Es wurde eine höchst vergnügliche Woche….

Und dann immer wieder Lagos, und dort vor allem die ‚Lagos Book Fair’, auf Einladung der Freunde Toyin Akinosho und Jahman Anikulapo, dies alles auf Kosten des dortigen Goethe-Instituts.

Wird fortgesetzt…