Gerd Meuer mit Nobelpreisträger Wole Soyinka
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Berliner Katastrophen – die erste…

     Im Vorhinein auf die Buchmesse 1980 in Frankfurt kam es im Rahmen der Berliner Festwochen zu den ‚Berliner Internationalen Literaturtagen’, BILT, einem bis dahin einmaligen Zusammentreffen afrikanischer Autoren im damals noch geteilten Berlin. Für diese Veranstaltung hatte Jochen Klicker eine gewisse Frau Dr. eingekauft, mit der sich die Zusammenarbeit bereits vor Beginn als äußerst heftig gestaltete, bis ich ihr einen Prozess androhte, worauf die Dame sich jetzt sanfter gab. Vielleicht auch deshalb, weil ich mit Hilfe des Chefs der Afrika-Abteilung der Deutschen Welle immerhin DM 10.000,-- als Honorar für die Schriftsteller entsteißte, die wir während der Lesungen aufnehmen würden.
     Die Veranstaltung selbst war eine jener markanten kulturellen Katastrophen in den deutsch-afrikanischen Beziehungen. Besagte Dame führte am liebsten ihren Doktortitel spazieren, der ihr dann einige Jahre später –weil nie erworben – von ihrem Arbeitgeber Goethe-Institut abgenommen wurde. Bei BILT jedoch stellte sich ‚Frau Dr.’ noch voll zur Schau, weshalb es nahezu täglich zu lautstarken Konfrontationen mit mehreren Schriftstellern kam. Stellvertretend für alle, die mit dieser Dame zu tun hatten, hat die wenige Jahre später verstorbene südafrikanische Schriftstellerin Bessie Head der Dame bereits früh ein literarisches Denkmal gesetzt.



(Bessie Head 1979 in Berlin)

     Einer der in Berlin stockunglücklichen Autoren war ein alter Freund: Camara Laye aus Guinea, der zu dieser Zeit bereits schwer an seinem Herzleiden litt. Angesichts der verbalen Attacken durch seinen Kollegen Mongo Beti bat er mich: „Gerard, viens, on va boire un coup, je  ne supporte plus les attacques de mon frère Mongo. Was hab’ ich dem bloß angetan?“
     Und der sich in Berlin völlig verloren fühlende Taban Lo Liyong aus dem Südsudan wurde eines Nachts gesichtet wie er an den Eisengittern des Berliner Zoos entlangstrich. Was er denn da treibe? Nun, er fühle sich so einsam, deshalb wolle er zu seinen Brüdern, den Schimpansen im Zoo. Der Mann blieb zeitlebens ein Clown. Nicht zu jedermanns Freude, denn als er 13 Jahre später out of the blue für einen vierzehntägigen Besuch bei uns in Addis erschien und ein Dutzend Vorträge hielt, da provoziert er die eher dümmliche Amharen-Mafia an der Addis-Universität derart nachhaltig, dass einige von ihnen, „diesem shankilla (Sklaven) den Tod an den Hals wünschten.“ Der amharische Rassismus gegenüber Negern verwunderte ihn nicht sonderlich. Den kannte er bereits von seinen nord-sudanischen Landsleuten.

             Das Kontrastprogramm: Erlangen

     Erlangen, das war das totale Kontrastprogramm zur Unstadt Berlin. Das begann mit dem Oberbürgermeister Hahlweg, ging weiter mit seinem Kulturdezernten Wolf-Peter Schnetz und weiter mit Günther Joschko und dem SPD-Ratsherren Bernhard Nordhoff. Einmal als Berater eingekauft hatte ich freie Hand bei der Einladung der Gäste. Also lud ich ein: Wole Soyinka, Meja Mwangi und Francis Bebey. Wir arrangierten nicht nur öffentliche Lesungen sondern auch eine ganze Reihe von Lesungen in den Oberstufen der städtischen Schulen in Erlangen und anderen Städten der Region, so dass die Autoren über die Wochen zu einer hübschen Honorarsumme kamen.
     Möglich wurden Veranstaltungen wie diese und andere damals ganz wesentlich Dank der ideellen und auch finanziellen Unterstützung durch eine Frau, deren Rolle bis heute völlig unterschätzt wird. Die Frau heißt Hildegard Hamm-Brücher, mit der mich seit einem ersten Zusammentreffen in Nigeria 1977 eine entfernte, verbal stets freche Freundschaft verband.
     Die Berliner Katastrophen aber sollten sich über die Jahrzehnte wiederholen…