Gerd Meuer mit Nobelpreisträger Wole Soyinka
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Mongo Beti

     Die Erlebnisse, die über vier Jahrzehnte am meisten bereicherten, waren die zahllosen Treffen mit afrikanischen Schriftstellern quer über die Sprachgrenzen hinweg. Die Treffen mit Autoren aus den unterschiedlichen Sprachwelten führten dazu, dass ich bei internationalen Kongressen nicht selten zwischen ihnen, von Englisch zu Französisch und umgekehrt und auch mal vom Portugiesischen in eine der beiden Sprachen  dolmetschen mußte. Wenn schon nicht in den Konferenzen, dann auf jeden Fall bei den abendlichen Trinkgelagen, die dann auch meist ergiebiger waren.
            Doch wie in allen zwischenmenschlichen Beziehungen musste es auch hier den sprichwörtlichen Zwischenfall geben, und den provozierte ausgerechnet der Gutmensch Mongo Beti, einer der – marxistischen - Heroen der frankophonen Literatur. Auch ich hatte den Autor und Alt-Marxisten über viele Jahre verehrt – eben nicht nur als Schreiber, sondern auch als Kämpfer gegen den französischen Neo-Kolonialismus. Die Tatsache aber, dass der Mann, einmal ins Exil gegangen, just im Herz des neo-kolonialen Frankreich lebte, und dort als Studienrat sehr gut lebte, das hätte mich mißtrauisch machen sollen.
     In den Jahrzehnten in Frankreich entwickelte der Mann – wie konnte es anders sein – einen kräftigen Verfolgungswahn.


            Merken sollte ich das erst recht spät. 1988 war auch er zur großen Literaturkonferenz „Die afrikanischen Literaturen nach dem Nobel“ in Lagos eingeladen worden. Doch er kam nicht. Irgendwie, so versicherte mir Freund Kole Omotoso mehr als glaubwürdig, hatte ihn das pre-paid, an ihn angewiesene bezahlte Flug-Ticket nie erreicht.

     Und was macht Mongo Beti? Der schreibt eine lautstarke, wortschwallige Tirade gegen Omotoso als „Agent des französischen Imperialismus“, da die Lagoser Konferenz ja wesentlich von den Franzosen finanziert werde. Was aber jeder Teilnehmer wusste!

     Das war mir zu starker Tobak, weshalb ich Mongo einen persönlichen Brief schrieb, um meinen Freund Kole in Schutz zu nehmen. Doch da kam ich dann bei Mongo völlig falsch an. Der setzte sich am 3. Juni 1998 an seine Schreibmaschine und ließ so eine richtige Tirade gegen mich ab. Das muß man wörtlich genießen: 

     „Ihr Brief vom 29. Mai lehrt mich, dass Sie sehr viel Verehrung für meine Person und mein Werk hegen. Das ist sehr nett von Ihnen. Was mich angeht, so hege ich keinerlei für Sie, ganz im Gegenteil. Und wenn wir uns denn mehrmals in Deutschland (oder anderswo) getroffen haben, dann muß Ihre Person schon ziemlich blass sein und ihre Verdienste eher phantomhaft, denn diese bedeutsamen Ereignisse haben in meinem Gedächtnis keinerlei Spuren hinterlassen, und das ist sehr gut so.

     Ich habe große Mühe, mir vorzustellen, welcher Anfall von Irrsinn wohl einen kleinen deutschen Bourgeois befallen haben muß, um sich anzumaßen, mir zu sagen, wie ich mich benehmen muß, um meine Glaubwürdigkeit zu sichern. Die Glaubwürdigkeit, in ihrer miesen und kleingeistigen Schreibe, was ist das bitteschön? Vielleicht ein Wert, der sich in Frankfurt in DM auswerten lässt?

     In was mische ich mich etwa ein, Kerl? Mische ich mich etwa in Ihre Angelegenheiten ein, ich? Habe ich Ihnen etwa jemals etwas abverlangt? Welche Lebenserfahrung haben Sie eigentlich, dass Sie es wagen, mir Lektionen in Verantwortung zu geben? Guter Rat gegen Guten Rat: ‚allez vous faire foutre’. (Ficken Sie sich doch ins Knie!)
            Es sind jetzt mehr als fünfzig Jahre, daß ich mein Leben ganz allein führe, nach meinen Möglichkeiten und nach meinen Werten. Und stellen Sie sich vor, ich habe keinen Grund, mich darüber zu beschweren. Adieu!
                    Gezeichnet Mongo Beti.“

 

Ich hab dem Mann dann doch noch geantwortet:

1. Dass ich keineswegs um seine „Verehrung“ nachgesucht hätte,
2. dass ich nicht „hinter großen Persönlichkeiten herrenne“, sondern daß seine Kollegen wie Camara Laye, Tchicaya U Tams’i, Nuruddin Farah u.a. stets den Kontakt zu mir gesucht haben, und mit Wole SOYINKA war ich ja seit meinen Besuchen in dessen Knast in Ibadan 1962 befreundet – das kann man bei Wole nachlesen!

3. dass seine,  Mongos, Terminologie „petit bourgeois allemand“ doch etwas simplistisch sei,

4. dass sein Urteil für einen Schriftsteller wie ihn doch etwas rasch sei,

5. dass ich natürlich „Dank der afrikanischen Literatur Milliardär geworden sei, meine Milliarden sicher in Frankfurt, Genf, London und auf den Bahamas gebunkert hätte“,
6. dass ich ihm ja auch nichts abverlangt hätte, es sei denn ein wenig Verständnis für die Probleme seiner afrikanischen Kollegen,
7. dass er sich mit seiner Wortwahl „foutre“ als wahrer Mongo Beti ausweise.

     Gezeichnet „un petit bourgeois allemand minable, mesquin usw. der ungeachtet seiner Dummheit den Glauben an die afrikanische Literatur nicht verloren hat!“


     Habs dem Kole Omotoso zugeschickt und auch Wole (Soyinka), die beide meinten, dass so eben die durch den französischen Neo-Kolonialismus deformierten francophonen Autoren reagierten – nun, auch nicht alle, sondern eben so ein Altmarxist wie Mongo. Fast wäre ich versucht gewesen, für ihn einen bösen französischen Ausdruck zu verwenden: une vraie ordure... was aber ihm gegenüber doch unfair gewesen wäre !

    Wills aber gleich wieder zurücknehmen, weil Mongo denn doch allzu sehr vom französischen Kolonialismus und Neo-Kolonialismus geprägt, deformiert wurde…

     Und übrigens, wie war das noch?

     Im hohen Alter hat der Mann – heimwehkrank wohl – doch noch – mit seiner ansehnlichen französischen Pension - seinen Frieden mit dem heimischen Regime des Paul Biya gemacht und zuhause eine Buchhandlung eröffnet. Kaum nach Afrika zurückgekehrt, wo viele seiner Schriftstellerkollegen über Jahrzehnte die Nuss hingehalten hatten, fiel dem Mann dann aber nichts anderes ein, als über die jüngeren Kollegen herzufallen, die "einfach nicht schreiben können."

     Si tacuissses… kann man dem wohl doch – ähnlich wie dem ‚Marxisten’ Ngugi wa Thiong’ - mächtig überbewerteten Mann - nur nachrufen...

   Und wie war das noch damals 1980 beim afrikanischen Literaturtreffen in Berlin? Da waren neben Soyinka, Farah, Kourouma auch Beti und Camara Laye eingeladen. Der bereits schwer herzkranke Camara las aus diversen seiner Werke, beschwor das kulturelle Erbe der Mandinka. Worauf Mongo Beti über ihn herfiel, ihn als dummen Romantiker diffamierte, was Camara dermaßen schockierte, dass er mich bat, ihn an der Hand zu nehmen und den Saal zu verlassen. Später hat sich Mongo dann noch ‚afrikanisch’ beim ‚ainé’, beim älteren Bruder entschuldigt…

     Das dann doch!

     Und der Mann hat ganz, ganz wichtige Bücher geschrieben: das eben doch!

 

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Kole Omotoso und Gerd Meuer