Gerd Meuer mit Nobelpreisträger Wole Soyinka
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„Wir wünschen Ihnen einen Schengen Abend“

 

oder:

 

Wenn die ‚Deutsch-Afrikaner’ krumm nehmen…

     Kaum für eine erneute Lesung in München angekommen, erzählt mir Wole noch im Taxi vom Flughafen in die Stadt von seiner jüngsten Einreise nach ‚Schengen-Land’. Seit Jahren reist Wole nur mit einem kleinen Trolley als  Gepäckstück, weil er den in der Flugzeugkabine unterbringen kann: so geht kein Gepäck verloren und er ist stets als Erster am Ausgang (Auszug aus‚ CLIMATE?). Stets ist Wole der erste Fluggast bei der Passkontrolle. So auch in Frankfurt. Und hier wird er prompt verhört.

     Zumal er dieses Mal statt eines seiner Diplomatenpässe – gleichsam testend – seinen normalen’ Pass präsentiert.  Ähnlich wie in Peter Ustinovs berühmter Szene vom Grenzübergang zwischen dem damaligen Dahomey und Nigeria beantwortet Wole die Frage des Beamten „Beruf?“ mit: „I am a smuggler of words!“ Der deutsche Beamte fragt zurück: „Sie sind was?“ Darauf Wole: „Nun, ich bin Schreiber.“  „Schreiber von WAS?“ Darauf Wole: „Na, von Büchern!“

   Der Beamte: „Bücher, Sie?“

   Wole: „Ja, doch, gewiss!“

   Der Beamte: „Und wie lange wollen Sie denn in Deutschland bleiben?“

   Wole: „Das weiß ich noch nicht.“

   Der Beamte: „Das wissen Sie noch nicht, ähem! Na, schauen wir mal in Ihren Pass. Aber was ist das denn?“

     Der Mann bekommt Woles Pass zu Gesicht: das sind gleich drei nigerianische Pässe, die mit einem Hefthammer zusammengestanzt sind. Der Beamte wundert sich, beginnt zu blättern, sieht drei Pässe, deren Seiten voller Visen sind, von den USA über Kasachstan, Israel bis Korea, gibt auf: „You seem to travel a lot. Schönen Aufenthalt in Deutschland dann.“

   Vor unserem Auftritt in der Münchner Villa Stuck frage ich Wole, ob er einverstanden sei, wenn wir den Abend mit einer kurzen Szene namens ‚Einen Schengen Abend’ eröffnen, und Wole sagt ja. In der Szene muss Wole verschüchtert hinter der Glasscheibe der Frankfurter ‚Immigration’ stehen, während ich – als Einwanderungsbeamter leicht über ihm thronend – ihn einschüchternd befrage.

     Ohne Vorwarnung ans deutsch-afrikanische Publikum begrüße ich dieses mit einem lauten: „Und einen Schengen Abend auch!“ Spiele einen etwas toughen Frankfurter Einreisebeamten, dem Wole gefälligst Rede und Antwort zu stehen hatte – und Wole genoss die Szene offensichtlich.

   Die vornehmen Nigerianer, Ingenieure bei Siemens, Kraus-Maffei und anderswo, die vermutlich nicht eine Zeile von Wole gelesen hatten und nur darauf aus waren, sich nebst Ehefrauen mit dem ‚berühmten Bruder’ ablichten zu lassen, die nahmen diese Szene prompt krumm: „so geht man nicht mit unserem berühmten Bruder um!“.

     Und deshalb – doch nicht nur deshalb, beriefen sie dann für den folgenden Nachmittag eine ‚Krisensitzung’ ein, für die sie eigens in unserem Hotel einen Sitzungsraum anmieteten. Alleiniges Thema: „das Verhalten von Mr. Meuer. Oga we must talk about his behaviour.“ Darauf Wole breit grinsend zu mir: 

“Gerd, da kommt was auf dich zu! But I think we can cope.”

     Prompt um 15.00 Uhr des folgendes Tages fand dann im Hotel ‚Concorde’ besagtes Abrechnungstreffen statt. Mr. O., der Vorsitzende der ‚Deutsch-Nigerianischen Vereinigung’ hob zu einer längeren Lobesrede auf den ‚berühmten Bruder’ an, die Wole eher unwillig über sich ergehen ließ, bis er –  bevor weitere Reden gehalten wurden – die Frage stellte: „What is all this really about?“ Worauf Mr. Ob wiederum umständlich erklärte, dass man ‚nur über Mr. Meuer an ihn’ herankomme.

     Was so stimmt, denn unsere Absprache seit Jahren besagt, dass ich Woles e-mail-Adresse NICHT weitergebe, weil er sonst tagtäglich mit allen nur erdenklichen e-mails überschwemmt würde.

     Doch Wole macht es dann kurz, sehr kurz, indem der den Versammelten – in etwa – erklärt: „ Liebe Landsleute: in den Jahren, als ich den Kampf ums Überleben meines Kollegen Ken Saro-Wiwa führte und auch sonst… wenn ich da eine Adresse, einen Ansprechpartner in Deutschland brauchte, dann wusste ich stets, wie ich Gerd per Telefon Fax oder dann auch e-mail erreichen konnte, ob nun in München, Addis Abeba, Houston oder Köln. Ich kann mich aber nicht erinnern, Ihre Namen oder Adressen für diese und andere Fälle je gehört zu haben.“ Sagte es und erklärte – nach einigen versöhnenden Höflichkeiten – die Angelegenheit für abgeschlossen und die Sitzung für beendet.